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Akte Mosel

Akte Mosel

Titel: Akte Mosel
Autoren: Mischa Martini
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mit dem forschenden Blick in die Augen, den er auszuhalten gelernt hat. Er quetscht sich in den Gang. Die Abteile sind nur spärlich besetzt, dennoch geht Anna bis zum nächsten Wagen durch. Waldes Blick folgt ihren Hüftbewegungen.
    »Ich glaube, es fängt schon an. Ich vermisse schon deinen Hintern«, flüstert er ihr ins Ohr, als sie die Tür zu einem leeren Abteil aufschiebt.
    »Hab’ ich mir gedacht, du Chauvi«, sie lächelt ihn an.
    Er verstaut die Koffer. Dann bückt er sich zu ihr hinunter und küßt sie. Der Wagen ruckt leicht.
    »Es geht gleich los, mach’s gut und rufe an, wenn du zuhau … , wenn du angekommen bist.«
    »Hätte ich mich da nicht beworben, wäre ich jetzt arbeitslos«, sagt sie.
    »Du warst von den ganzen Sommerferien nur fünf Tage hier.«
    »Jetzt aber Hallo! Du hast keinen Tag Urlaub genommen, bist doch sowieso froh, wenn ich weg bin, das merke ich doch, das Monster ruft.«
    »Das ist halt mein Job, wir brauchen jetzt nicht wieder davon anzufangen.«
    »Und ich muß den Unterricht vorbereiten, das ist mein Job.«
    Am Bahnsteig geht Walde zu ihrem Fenster. Seine beträchtliche Körperlänge reicht dennoch nicht aus, um sie zu küssen. Er hält sich mit einer Hand an der Fensterkante fest. Anna legt ihre darauf. Waldes Hand beginnt augenblicklich zu schwitzen. Er beobachtet aus den Augenwinkeln und dann im Spiegelbild der Scheibe eine hübsche Frau in einem kurzen Kleid, die hinter ihm vorbeigeht.
    »Kannst du damit nicht wenigstens warten, bis ich abgefahren bin«, zischt Anna.
    Walde versucht einen verständnislosen Gesichtsausdruck.
    »Ich meine mit der Brautschau …«
    »Ach, du meinst die da«, Walde deutet mit dem Daumen zum Bahnhofsgebäude.
    »Dein Blick ist also rein beruflich?«
    »Genau: Linkshänderin, hat immer kleinere Freunde, hält sich deshalb schon gewohnheitsmäßig etwas krumm, sie trägt Kontaktlinsen und hatte vor etwa einer Stunde guten Sex, schätze im Cochemer Tunnel, und zwar mit dem da.« Walde deutet mit dem Kopf auf einen kleinen, dicklichen Priester, der mühsam einen Rollkoffer hinter sich herzieht.
    Die Waggontüren werden zugeschlagen, und der Pfiff zur Abfahrt ertönt.
    Walde nimmt die feuchte Hand vom Fenster.
    »Und der Koffer ist voller Aphrodisiaka?« fragt Anna.
    »Jetzt riech’ ich es auch!« Der Zug rollt an.
    »Vergiß’ mich nicht zu schnell, Spatz«, ruft sie.
    Spatz, wie ätzend, so genannt zu werden, wie phantasielos, soviel er weiß, hießen alle ihre Typen Spatz. Das sollte er ihr jetzt sagen. Heute Abend könnte sie sein Bettzeug nicht in die Diele werfen und die Türen knallen.
    »Ruf an!« Walde geht ein paar Schritte neben dem Zug her.
     
    Im Volvo schaltet er die Klimaanlage ein und wechselt die CD. Eben haben sie auf dem Weg hierher noch Do it again von STEELY DAN gehört. Das war einmal ihr Titel.
    An St. Maximin vorbei ist die Straße frei. Er beschleunigt den Wagen. Rechts rauscht ein Graffito vorbei.
    Die Strichmännchen scheinen sich beim Vorbeifahren zu bewegen – und SEAL singt dazu Crazy. In Höhe des Arbeitsamtes kommt die Stelle mit der irren Trommelsequenz, bei der Walde auch diesmal die Lautstärke hochdreht. Soweit der Straßenverkehr es zuläßt, kann er sich in der Musik verlieren. Alles andere ausblenden kann er ebenfalls, wenn er tief in einem Fall steckt und in unendlichen Datenmengen einem entscheidenden Hinweis nachspürt … und früher manchmal auch mit Anna.
    Der Volvo rollt durch ein Industriegebiet im Norden der Stadt. Golden färben die letzten Strahlen der Sonne eine verglaste Front. Dahinter liegen ehemalige Kasernen und ein kleiner Park.
    Walde stellt den Wagen am Eingang des Parks nahe am Spielplatz ab. Am ehemaligen Bootsverleihhäuschen am See blickt er sich um, wie erwartet, ist um diese Zeit kein Kind mehr im Park. Auf der Wiese neben dem Wasser sitzen in Gruppen Leute zusammen. Wahrscheinlich sind es Bewohner der Kasernen, die als Aufnahmelager für Asylsuchende und Aussiedler umfunktioniert wurden.
    Von einem Mann mit Mofa keine Spur. Es ist nicht die richtige Tageszeit für ihn. Die Objekte seiner Begierde sind nicht mehr unterwegs. Wahrscheinlich sitzt er im Moment zu Hause vor der Glotze und zieht sich Pädophilenpornos rein. Walde erkundigt sich per Telefon im Präsidium. Nichts von Belang ist gemeldet. Seine Unruhe bleibt.
     
    In der Dämmerung fährt er über die Autobahn nach Pfalzel. Marie hat Geburtstag. Nichts Rundes, irgendwas knapp über die 35. Vor dem Haus ist die Straße eng
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