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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther
Autoren: Kenneth Oppel
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sechs. Ich zog mich aus und kletterte in meine Koje. Und wie so oft, wenn ich hoch oben in den Lüften schlief, verließ ich im Traum meinen Körper und glitt neben der Aurora dahin. Mein Vater kam und gesellte sich zu mir und zusammen flogen wir.

    Nachmittags hatte ich frei und ging zur Krankenstation, um mich nach dem Zustand des Ballonfahrers zu erkundigen.
    »Es geht ihm sehr schlecht«, erklärte Doc Halliday. »Er hat eine Lungenentzündung, und ich vermute, dass er noch dazu vor einigen Tagen einen Herzinfarkt erlitten hat. Überdies ist er furchtbar ausgetrocknet.«
    »Aber er wird doch wieder gesund werden, oder?«
    Der Doktor hob die Augenbrauen und seine Lippen verzogen sich zu einem traurigen, kleinen Lächeln. »Ich glaube nicht, Matt. Sein Herz und seine Lungen sind so geschädigt, dass man nicht mehr viel für ihn tun kann, selbst wenn wir ihn rasch zurück an Land bringen könnten.«
    »Und wer ist er?«
    »Er heißt Benjamin Molloy. Laut den Schiffspapieren wollte er alleine die Erde umsegeln.«
    Von solchen Unternehmungen hörte man gelegentlich. Immer wieder versuchten irgendwelche Kerle, in einem Heißluftballon die Erde zu umrunden. Doch bislang war es noch keinem gelungen. Entweder mussten sie irgendwann notlanden oder sie verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Ich hatte keine Ahnung, ob dieser Mr Molloy ein besonders mutiger Mann oder einfach nur tollkühn war, aber ich konnte nicht anders, als seinen Wagemut bewundern.
    »Darf ich zu ihm?«
    Doc Halliday zögerte erst und nickte dann. »Aber sei leise, er schläft. Weck ihn nicht auf.«
    Die Krankenstation befand sich neben der Apotheke und dem Untersuchungszimmer und bestand nur aus zwei Betten, die durch einen Vorhang getrennt waren. Das andere Bett war leer. Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich neben Mr Molloy. Kissen stützten seinen Oberkörper und er atmete rasselnd. Ich fand keine richtigen Worte für die Gefühle, die ich ihm gegenüber empfand – verbunden, besser konnte ich es nicht beschreiben. Ich hatte seinen Ballon draußen am Nachthimmel entdeckt, war in seine Gondel geklettert und hatte ihn dort zusammengesunken auf dem Boden gefunden. Er hatte so verletzlich und hilflos ausgesehen. Vielleicht lag es auch daran, dass er ein wenig meinem Vater ähnelte, nur älter eben, aber das mochte ich mir auch nur einbilden.
    Ich legte meine Hand auf seine. Sie fühlte sich fest an, voller Sehnen und Knochen, und glühte vor Fieber. Meine eigene Hand wirkte im Vergleich zu ihr eiskalt. Er regte sich leicht, und ich nahm die Finger weg, aus Angst, ihn gestört zu haben. Seine Augen öffneten sich. Sein Blick war trübe, und er starrte durch mich hindurch, als würde er sich auf etwas anderes konzentrieren. Als sei er bereits im Begriff, von uns zu gehen.
    Er hustete ein bisschen, und ich hielt ihm ein Glas Wasser an die Lippen, aber offenbar wollte er nicht trinken oder vielleicht konnte er einfach nicht schlucken. Ein paar Tropfen rannen über sein Kinn auf das Laken.
    »Verzeihung, Sir«, sagte ich und tupfte ihn mit einem Tuch trocken.
    Als ich fertig war, schaute er mich aufmerksam an.
    »Hast du sie gesehen?«, fragte er mit krächzender Stimme.
    »Wen?« Ich überlegte, ob er wohl klar denken konnte.
    »Sind geflogen … überall«, sagte er. Es dauerte lange, bis er die Worte herausgebracht hatte, weil er immer wieder schluckte und zwischendurch hustete. »Vielleicht waren sie … immer schon da … hat sie nur … niemand … gesehen.«
    Er wollte sich aufsetzen und stemmte sich auf die Ellenbogen, als müsse er dringend irgendwohin, aber dann verließ ihn die Kraft und er sank auf sein Kissen zurück. Er wandte sich wieder zu mir und schluckte.
    »Aber du. Musst sie gesehen haben.«
    Es schien sehr wichtig für ihn zu sein.
    »Ja«, log ich. »Ich habe sie auch gesehen.«
    »Gut«, sagte er. Es schien ihn zu beruhigen. »Wunderschöne Geschöpfe«, sagte er lächelnd. »Sie waren … wunderschön.«
    »Ja«, sagte ich.
    Er hustete wieder, und ich überlegte, ob ich Doc Halliday rufen sollte.
    »Ich werde lieber den Arzt rufen, Sir.«
    Seine heiße Hand lag auf meinem Arm. »Kate … hätte sie geliebt«, sagte er. »Glaubst du … nicht?«
    »Doch, das glaube ich auch«, sagte ich.
    Er sah mich freundlich an. Ich schämte mich für meine Lüge. Dann schien es plötzlich, als würde er mich durchschauen. Es war erschreckend, wie sich daraufhin sein Gesicht veränderte und Abscheu in seine Augen strömte.
    »Du hast sie … nie
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