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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid
Autoren: Sobo Swobodnik
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abgeführt. Trotz Beteuerung, dass da ein Irrtum vorläge. Dass dem eine Verwechslung zugrunde liegen müsste. Aber so was konnte ganz schnell gehen: Eben noch arbeitsloser Schauspieler und früh pensionierter Krüppel, jetzt Hauptverdächtiger im Kampf gegen den Terror. Und alles wegen Arthur Rimbaud! Wenn die Handschellen nicht so stark in die Gelenke schneiden würden, hätten Plotek und Vinzi darüber nur gelacht.
    Es ist nicht einmal etwas Schwerwiegendes passiert, dachte Plotek. Kein Mord, Totschlag oder Überfall, und trotzdem stecke ich schon wieder in den Fängen der Staatsmacht. Die Hurtigruten-Reise schien in weite Ferne gerückt.
    »Scheiße«, sagte Plotek.
    »Scheiße«, sagte Vinzi. Während die Polizeibeamten lachten. Polizisten, die aussahen wie asoziale Sozialhilfeempfänger. Oder wie die sächselnden Pickelbuben ohne Uniform, die nicht zwei und zwei zusammenzählen konnten. Wenn doch, dann immer auf fünf kamen.
    Als hätte man die Schuldigen für den badischen Theatereinsturz nun leibhaftig vor sich, wurden die beiden ins Kommissariat geführt. In einen kleinen stickigen Raum. Karg, unappetitlich, mit olivgrünem Wandverputz. Mit einem Tisch, der anklagend in der Mitte des Zimmers stand, wie ein Marterpfahl der Comanchen. Davor ein Stuhl, auf den Plotek gedrückt wurde.
    »Nehmen Sie Platz.«
    Vinzi parkte seinen Rollstuhl daneben.
    »Na, was haben wir denn hier?« Ein Beamter, klein, hässlich und dick, hob den etwas größeren Turnbeutel von Vinzi hoch.
    »Was ist das?« Er guckte, als wäre der Beutel mit Scheiße gefüllt. Oder mit Leichenteilen.
    »Was könnte das denn sein?«, fragte Vinzi, wie man fragt: »Welches Schweindl hätten Sie denn gern?« Der Kommissar schien nachzudenken. Zumindest hatten sich Zeichen auf seiner Stirn niedergelassen, die daran erinnerten. Im Hintergrund an der Wand stand eine Beamtin, groß, schlank, schön, und beobachtete das Ganze aus sicherer Distanz. Die Arme hatte sie unter ihren Brüsten verschränkt.
    »Ein Dudelsack?«, versuchte es Vinzi, abwägend wie ein Ratespielkandidat auf der Suche nach der korrekten Bezeichnung. Die Miene des Kommissars verfinsterte sich. »Oder doch eher ein Sprengstoffbeutel?!«
    Der Kommissar ließ intuitiv den Sack fallen. Die Beamtin grinste.
    »Schon wäre er hochgegangen!« Vinzi grinste auch. Plotek hingegen sah die Hurtigruten in immer weiterer Ferne – ohne sie.
    »Da glaubt einer ganz besonders witzig sein zu müssen, was?« Der Beamtin im Hintergrund verging das Lachen. Vinzi nicht. Was den Kommissar noch wütender machte.
    »Ich kann Sie, wenn es Ihnen beliebt, sofort hinter Schloss und Riegel bringen.«
    »Stimmt. Aber nur für 24 Stunden. Anschließend haben Sie den Zentralrat der Juden in Deutschland, den Allgemeinen Behindertenverband e.V. und den LSVD, den Lesben-und Schwulenverband Deutschlands, auf dem Hals.«
    »Hä?« Der Kriminaler stand auf dem Schlauch.
    »Unschuldig, Jude, schwul und behindert.« Die Finger schossen aus Vinzis Faust und zeigten als Fingerpistole auf den Polizisten. »Da lechzt die Pressemeute nur so nach. Wie Raubtiere. Und Sie sind das arme Würstchen, das sie vertilgen.« Natürlich stimmte nur unschuldig und behindert. Alles andere war gelogen. Was auf die Schnelle aber nur schwerlich nachzuprüfen war. Die Beamtin lächelte wieder. Der Kommissar dagegen war eingeschüchtert. Was er aber sofort schreiend zu kompensieren versuchte.
    »Soll das eine Drohung sein?!« Sein Gesicht sah dabei nicht gerade vorteilhaft aus.
    »Ach wissen Sie, man droht nur Gegnern und keinen Türwürsten.« Vinzi gab sich abgeklärt.
    »Was soll das heißen?«
    Die Beamtin im Hintergrund hustete. Vermutlich, um das Lachen zu kaschieren.
    »Nichts. Oder: Der Dumme spricht, der Weise schweigt«, sagte Vinzi mit einem Blick zu Plotek. Und mit einen weiteren, einem verdeckten, auf die Beamtin an der Wand. Die wurde dabei ein wenig verlegen. Das stand ihr hervorragend. »Also tun Sie doch einfach, was Sie nicht lassen können.«
    Taten die Beamten dann auch. Das Buch Sämtliche Dichtungen des Jean Arthur Rimbaud wurde inspiziert, als wäre es eine Bauanleitung für Kofferbomben. Hinter Arthur Rimbaud vermuteten die Ermittler zunächst den heimlichen geistigen Führer einer noch nicht bekannten Terroreinheit. Natürlich mussten sie diese Gedanken, trotz genetischer Fingerabdrücke, biometrischer Fahndungsmethoden, Überwachungskameras, Gesetzesverschärfungen und all das ganz schnell wieder aufgeben. Worüber sie
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