Agrarwende jetzt
noch laufen können. Die Kniegelenke sind verformt, die Rücken entzündet.
Der faire und artgerechte Umgang mit unseren Mitgeschöpfen schmälert den Profit. Und dieser ist der einzige Maßstab und neue Gott, der keine anderen Götter neben sich duldet. Die Wirtschaft ist zum Selbstzweck verkommen. Die Nahrungsmittelproduktion spiegelt alle Perversitäten der Industriegesellschaft wider.
Ganze Arten sterben nicht nur in tropischen Regenwäldern aus, sondern auch in Deutschland. Die biologische Vielfalt umfasst alles Lebendige - von Ameisen bis zum Blauwal, vom Gänseblümchen bis zum Mammutbaum. Dazu zählen auch die Lebensräume dieser Arten.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zusammen mit 150 anderen Staaten auf der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 verpflichtet, Tier- und Pflanzenarten zu schützen. Das wäre auch bitter nötig, denn von den 2722 Farn- und Blütenpflanzen, die noch vor 100 Jahren hier gezählt wurden, sind heute 31 Prozent ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Noch dramatischer ist die Situation der Fauna. Die Wirbeltiergruppen wurden im letzten Jahrhundert um 60 Prozent, die Wirbellosen um bis zu 75 Prozent ausgerottet.
Dabei kennt der Naturhaushalt keine entbehrlichen Arten. Wir wissen lediglich noch nicht alles über ihre Bedeutung. Die in jeder Spezies gespeicherten Informationen sind meist deshalb nicht nutzbar, weil wir sie noch nicht erkannt haben.
Hauptverursacher des Artensterbens in Deutschland ist die Landwirtschaft. Mit weitem Abstand erst folgen Tourismus, Rohstoffgewinnung, Überbauung und Wasserwirtschaft. Die jetzige Landwirtschaftskrise bietet zugleich die Chance, die Weichen neu zu stellen: Wir werden lernen müssen, dass Artenschutz Menschenschutz ist. Menschen ohne Tiere und Pflanzen wird es auf diesem Planeten nicht geben.
6. Ratten aus den USA - Kängurus aus Australien
Europaweit fand Ende 2000/Anfang 2001 das wohl größte Tierschlachten der Geschichte statt. Berge von brennenden Tierkadavern demonstrierten das vielleicht größte Tierblutopfer aller Zeiten. Blutopfer wie im Altertum. Diesmal freilich nicht zu Besänftigung der Götter, sondern zur Beruhigung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Doch eine Lösung der Agrarkrise bringt auch das Massenschlachten nicht. Die Hauptprobleme der aktuellen Krise sind unsere alltägliche Gleichgültigkeit beim Einkaufen, die Landwirtschaftspolitik und der Druck der chemischen Industrie auf die Landwirte.
Wie verhalten sich die Verbraucher in dieser Situation? Die meisten weiter wie bisher, einige werden Vegetarier und wieder andere weichen auf »Exoten« aus: Ratten und Klapperschlangen aus den USA werden jetzt in deutschen Metzgereien verkauft, aber auch Kängurufleisch aus Australien und Krokodile aus Thailand.
Für die meisten Fleischesser gilt: Mein Steak kommt aus der Tiefkühltruhe. Der Bezug zum Töten und zur Tierzucht ist verloren gegangen. Der Münchner Großmetzger Magnus Bauch sagt: »Wenn ich heute eine ganz normale Hausfrau in den Schlachthof an die Tötungsrampe führe und sage, jetzt schauen Sie da mal fünfzehn Minuten zu, die isst garantiert im nächsten halben Jahr kein einziges Stück Fleisch mehr.«
Tiertransporte, Massenschlachtungen, Käfighaltung, Tierversuche: Was fühlen Tiere dabei? Ein konventioneller Schweinezüchter erzählte mir: »Ich liebe meine Tiere. Wenn ich sie am Abend zum Schlachthaus gebracht habe, spüre ich, dass die Schweine merken, was ihnen bevorsteht. Sie bekommen unvorstellbare Angst und Stress - Todesangst. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass sie während ihrer ganzen letzten Nacht sanft geduscht werden und leise Musik hören. Das tut ihnen gut. Das beruhigt sie. So kommen sie entspannt zum Todesschuss.«
In einer kalten Februarnacht 2001 hatte ein Tötungstrupp von Amtstierärzten in Mücheln, Sachsen-Anhalt, zwölf Stunden lang Rinder abgespritzt. Auf dem Kadaverberg lagen über 1000 Tiere. Draußen riefen aufgebrachte Bürger: »Mörder! Mörder!« Steine flogen. Und die Pastorin, die dabei war, erzählte später Journalisten von ihrem »schlimmsten Einsatz in vierzehn Jahren Seelsorge«. »Manche Tierärzte gingen nach draußen und weinten.«
In der landwirtschaftlichen Produktions- und Vertriebsgesellschaft Mücheln war eine vier Jahre alte Kuh an BSE erkrankt. Der Landrat hatte die Keulung aller übrigen Rinder angeordnet. Tiere sind überhaupt nichts mehr wert, wenn es um die scheinbare Gesundheit von Menschen geht.
7. Tod ist tot!
Ein deutscher
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