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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Autoren: Manfred Böckl
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Schnaufen auf; Agnes, im Weiterrennen, presste das Köpfchen an ihre Schulter. Der Treppenschacht wurde enger, die Staffeln steiler, zuletzt tauchte unter einem Spitzbogen die halbhohe Pforte auf. Die Bernauerin rüttelte an der Klinke, fürchtete schon, die Tür sei abgesperrt; ebenso quälte sie der Gedanke, dass jemand den Lärm hören könnte. Plötzlich aber gab das Pförtchen nach, die Vierundzwanzigjährige mit dem Kind drängte sich hindurch; im Halbdunkel erkannte sie verschwommen die Umrisse der Lade. Obwohl die Zeit sie jetzt zu peitschen schien, zog Agnes die Tür sorgfältig wieder ins Schloss, ehe sie Sibylla absetzte und sich mit aller Kraft gegen den Truhendeckel stemmte. Krachend schlug das Eichenholz gegen die steinerne Wand; Agnes hob die Dreijährige in das harzig riechende Geviert, folgte ihr und schrammte sich dabei die Knie wund. Sie versuchte sich zu erinnern, wo genau das lose Brett war, auf das Albrecht sie damals aufmerksam gemacht hatte; endlich entdeckte sie es und drückte es beiseite – in der Vertiefung befand sich der schmiedeeiserne Hebel. Er ließ sich erstaunlich leicht bewegen; der halbe Boden der gewaltigen Truhe glitt weg, und unterhalb der Luke wurden undeutlich schmale Stufen sichtbar.
    Die Blonde ertastete die Fackeln in der Mauernische; mit zitternden Händen schlug sie den Stahlkeil gegen den Feuerstein, bis der Zunder aufglühte, das Werg entflammt war. Sibylla kauerte jetzt auf der drittobersten Staffel, Agnes ließ den Ladendeckel zurückfallen, hastete acht, zehn Stufen abwärts, betätigte erneut den Hebel. Von unten diesmal tat sie es, vorher hatte sie das Brett wieder an seinen Platz geschoben; scharrend rastete der Fehlboden über ihrem Kopf ein. Vom Fackelflackern umwabert, den beißenden Rauch in den Kehlen, hasteten die junge Frau und das Kind weiter – durch den Geheimgang, der sich direkt in der Palasmauer befand und gekrümmt hinüber zum Bergfried führte.
    Bald veränderte sich die Struktur der Steine, sie wurden wuchtiger und quaderiger; Agnes und Sibylla befanden sich nun bereits in der meterdicken Ummantelung des Burgturmes. Wieder kamen Staffeln, scheinbar endlos führten sie nach oben, dann fauchte die Flamme plötzlich in einem eiskalten Luftzug. Die Flüchtigen hatten den verborgenen Raum unter der nordöstlichen Zinnenecke der Wehrplattform erreicht; durch eine verdeckte und von unten nicht sichtbare Scharte drangen ein dünner Lichtfaden sowie Sauerstoff in die sargähnliche Kammer.
    Die Blonde, am Ende ihrer Kräfte jetzt, schob die Fackel in den eisernen Haltering, sank zusammen mit der Dreijährigen auf die Pritsche neben dem gähnenden Einstiegsloch. Alles in ihr schrie nach Albrecht, wie nie zuvor sehnte sie sich nach seiner Gegenwart, seinem Schutz, seiner Umarmung; gleichzeitig war sie versucht, sich einfach ins Nichts, ins Nicht-mehr-denken-Müssen abstürzen zu lassen. Zwei, drei Atemzüge später aber trieb die Panik sie wieder hoch. Die offene Schlupfpforte erschien ihr plötzlich wie etwas Molochisches, das sie anzuspringen drohte. Hastig tat Agnes die paar Schritte zur Tür, schob sie zu, ließ den Riegel einrasten, fühlte sich dennoch kaum sicherer. Denn zum ersten Mal, seit sie den Lärm im Schlosshof vernommen hatte, wurde ihr klar, dass Herzog Ernst als Bauherr der Vohburg die Örtlichkeiten hier mit Sicherheit noch besser kannte als sie; dass also auch die Eindringlinge, die in seinem Namen gekommen waren, in die Geheimnisse des Gebäudes eingeweiht sein mussten.
    „Das Bett!“, keuchte sie. „Komm, Sibylla, hilf mir!“ Gemeinsam mit dem Kind zerrte sie das hölzerne Gestell zur Pforte, um es als zusätzlichen Wall zwischen sich und dem Grauen zu nutzen; die dünnen Streben jedoch und der Strohsack wirkten so lächerlich, dass die Bernauerin das Schluchzen auf einmal nicht mehr zurückhalten konnte. Der Weinkrampf beutelte sie zum Gotterbarmen; mit großen Augen schaute die Dreijährige auf die Mutter und begriff nicht, warum die Große vorhin von ihr verlangt hatte, dass sie still wie ein Mäuschen sein müsse – wo sie doch jetzt selbst schrie wie ein verwundetes Tier.
    Und ins Schreien, ins Schluchzen, ins Wimmern hinein plötzlich das Poltern und schroffe Stoßen; der Aufruhr draußen! Die Häscher hatten den verborgenen Gang entdeckt, hatten ganz offensichtlich Äxte bei sich, und nun bissen die Stahlschneiden unnachsichtig ins Holz. Wenig später war die Pforte durchbrochen, ein Beilhieb schmetterte den Riegel aus der
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