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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Autoren: Manfred Böckl
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irgendwann dann hörte sie den Einschildner zu den Ruderknechten sagen: „Einen Dukaten extra für jeden von euch vom Münchner Herzog; den Lohn verspreche ich euch, wenn wir bis Einbruch der Nacht Straubing erreichen!“
    Straubing?, dachte sie dumpf. Was soll ich denn dort? Albrecht ist doch in Landshut; warum bringt man mich dann in den Gäu?
    Diese Überlegung, aus irgendwie zwanghaftem und albtraumartigem Gedankenfluten heraus, räderte ihr von da an unablässig durchs Gehirn, den ganzen langen Tag über; und nur manchmal blitzte seltsam fremd die Erinnerung an Sibylla hinein.
    In der Abenddämmerung dann, ganz wie der Ritter es verlangt hatte, legte das Schiff nahe der Straubinger Donaubrücke an. Unter sich jetzt beklemmend rasch eindüsterndem Himmel erkannte die Bernauerin vage die Doppeltürme der Peterskirche im Osten und die Silhouette der Stadt selbst etwa eine Meile entfernt im Südwesten; gleich darauf aber jagte man sie wiederum in eine Kutsche, und dann ratterte das Gefährt los, dem Herzogsschloss zu.
    Zutiefst erniedrigt schleppte sich Agnes Bernauer zuletzt durch das Portal der Residenz, die sie einst als Gattin des Statthalters bewohnt hatte. Jetzt freilich blieben ihr die Prunkgemächer verschlossen. Ihre Büttel zerrten sie hinunter in den Kerkertrakt; auf dem feuchten und rattenkotversudelten Boden ihrer Zelle brach sie fast besinnungslos zusammen.

STRAUBING
12. Oktober 1435

Die Frau ist die Pforte des Teufels,
der Weg der Bosheit, der Stachel des Skorpions,
mit einem Wort ein gefährlich Ding.
Hieronymus, katholischer Heiliger und Kirchenlehrer

Das weyb wardt so in Poshayt verhartet,
daz sy den Herzog Ernst nit als iren Richter und
Herrn halten wollt, da sy selbst Herzogin zu seyn angab;
undt daz erposte Herzog Ernsten wider sy,
daz er das weyb nemmen last, undt ersauffen.
Genealogie der bayerischen Fürsten

    Der Riegel draußen kreischte in den Krampen, knarrend schwang die Tür zum Verlies auf; das hereindringende Fackellicht traf die Vierundzwanzigjährige wie ein Hieb in die Augen, ins verstörte Gehirn.
    Gleich einem Tier in der Falle wich Agnes zurück, so weit sie konnte. Ihr Rücken schrammte gegen den grob behauenen Stein, doch den jähen Schmerz nahm sie gar nicht wahr; der Anblick der Männer mit den roten Kapuzenmasken, die jetzt hinter dem Rauch und dem Grellen sichtbar wurden, war ungleich schlimmer. Langsam, tückisch die Schritte setzend, näherten der Henker und seine beiden Gehilfen sich der Blonden. Unvermittelt dann packten sie zu und zerrten die Wimmernde, die Flehende, die vor Angst am Rande des Wahnsinns Stehende aus der Kerkerhöhle.
    In den versinterten Stollen, auf den schlüpfrigen Staffeln brach der hilflose Widerstand der Delinquentin gleich darauf in einer Art von neuer Agonie zusammen. Willenlos ließ Agnes sich nun führen; als sie zuletzt in den großen unterirdischen Raum taumelte, nahm sie die Konturen dort bloß mehr wie durch einen Schleier wahr. Sie ahnte auch nicht, dass ihr Leidensweg sich hier mit dem der Straubinger Juden kreuzte, die im vergangenen Frühjahr an ebendiesem Ort gefoltert worden waren. Erst als die Kapuzen von ihr abließen und ihr damit zumindest ein Quäntchen Würde zurückgaben, vermochte die Vierundzwanzigjährige ihre Umgebung allmählich bewusster zu erkennen; der Anblick freilich, der sich ihr bot, vertiefte ihre Verzweiflung eher noch.
    Sie sah die Streckbänke, die Wippgalgen und die anderen Schinderwerkzeuge; sie sah die Fackeln ringsum und sah unter einem riesigen Kruzifix ein Kohlebecken glühen; vor allem aber sah sie die Balustrade, die rotverschlagene, die seitlich des Kreuzes und des Glutofens aufgebaut war – und dann sah sie die Hasserfüllten hereinschreiten: die Kleriker und die Adligen.
    Der Nothafft zu Wernberg, Vitztum des Straubinger Landes, nahm am Richtertisch Platz; neben ihm Konrad Nußberger und Hans von Degenberg, die Böckler. Dazu der Heinrich, Albrechts ehemaliger Beichtvater, der die Israeliten ins Unglück getrieben hatte; zwei Dominikaner in fahlen Kutten, den Ausdruck fanatischen Glaubenswahns in den Augen, belegten die Scherenstühle links und rechts von ihm. Ein Sessel allerdings, der in der Mitte zwischen weltlicher und pfäffischer Dreifaltigkeit, blieb vorerst noch frei – und gerade dieser siebente Stuhl schien Agnes Bernauer nun auf beinahe schwarzmagische Art in seinen Bann zu schlagen. Sie konnte den eben noch gehetzten Blick nicht mehr von ihm lösen; ihre ganze Angst, ihre ganze
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