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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)
Autoren: Jesper Juul
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Aufmerksamkeit richten. Das erfordert von dir etwas Selbstdisziplin, aber das erfordert es auch von ihm, wenn es sein aggressives Verhalten beherrschen will.
    Das Ziel eurer ersten Dialoge ist nicht, sein Verhalten zu ändern, sondern eine solide Beziehung aufzubauen. Ist deine Anwesenheit durch dein Programm vergiftet, wird das jedes sensible Kind spüren und sich als Objekt deiner Manipulation betrachten. Es kann sein, dass es dir gleich in den ersten zehn- bis fünfzehn Minuten gelingt, einen guten Kontakt zum Kind herzustellen, vielleicht brauchst du drei bis fünf Begegnungen. Sei geduldig und versichert: Je besser deine Beziehung zu ihm ist, desto schneller wird sich sein Verhalten ändern.

    Das alles könnte einem Menschen, der gewöhnlich klare Strategien und Zielsetzungen befolgt, paradox erscheinen, doch gilt es zu bedenken: Viele Strategien konnten nicht realisiert, viele Ziele nie erreicht werden, weil zu wenig Aufmerksamkeit den beteiligten Menschen und ihren Beziehungen geschenkt worden war.
    Zwischen deinem ersten und zweiten sowie dem zweiten und dritten Dialog könnte es sein, dass das Kind sich weiterhin in Bezug auf andere Kinder aggressiv verhält. Bist du in seiner Nähe, geh zu ihm hin, leg ihm die Hand auf die Schulter oder auf den Kopf und frag, ob es Hilfe braucht. Seine Antwort ist nicht sonderlich wichtig, außer dass ein »Ja« bewirkt, dass du dich sehr viel besser fühlst! Nichts kann das Gefühl, wertvoll für einen anderen Menschen zu sein, überbieten!

Das Netzwerk einbeziehen
    Wenn du spürst, dass das Kind noch nicht in einem guten Zustand ist, obwohl sein unerwünschtes Verhalten zurückgegangen ist, oder wenn du merkst, dass die Versuche, eine konstruktive Beziehung zu entwickeln, gescheitert sind, dann ist es an der Zeit, sein persönliches Netzwerk einzuschalten. Lade es mit seiner Familie ein und schließe ältere Geschwister, wenn es welche gibt, mit ein sowie seinen besten Freund (selbstverständlich nur, wenn dir dessen Eltern ihr Einverständnis geben). Mir ist klar, dass die Tradition in den meisten Ländern besagt, Kinder von problemorientierten Meetings fernzuhalten, nach meiner Erfahrung jedoch ist das eine sehr gute Idee – zumindest das Kind, über das gesprochen wird, sollte anwesend sein. Dafür gibt es zwei Gründe:
Es ist extrem wertvoll für ein Kind, dabei zu sein, wenn sein Erwachsenen-Netzwerk sich bemüht herauszufinden, was schiefgelaufen ist und wie das alles wiedergutzumachen ist – auch wenn das Netzwerk letztlich nicht in der Lage ist, das Problem zu »lösen«. Sogar einjährige Kinder profitieren enorm von dieser Erfahrung. Sie verstehen vielleicht nicht sehr viel von der inhaltlichen Ebene und schlafen manchmal sogar ein, aber sie profitieren von der »Musik« ihrer Erwachsenen, die sich Sorgen um sie machen und Sorge für sie tragen. Dabei sollte das Kind nicht »involviert« werden, es kann während des Meetings machen, was es will. – Für gewöhnlich heiße ich das Kind willkommen, und wenn das Kind älter als einundeinhalb Jahre ist, sage ich ihm, dass es spielen oder mitmachen kann; ich sage ihm auch, es könne sein, dass ich seine Hilfe brauche. Wichtig ist, deine Sprache zu beachten! Klinische Fachsprache oder beruflicher Jargon führen dazu, dass sich Kinder, aber auch die meisten Eltern unwohl fühlen. Erzieher und Lehrer sind nicht qualifiziert, eine solche Familienberatung oder Familientherapie durchzuführen, also geh keineswegs hin! Deine Rolle ist es, ein Meeting zu leiten, für Abhilfe zu sorgen und den Prozess zu erleichtern, in dem du eine entspannte, konzentrierte und ernste Atmosphäre gewürzt mit etwas Humor schaffst. Wie bereits oben erwähnt, erreicht man durch einen guten Prozess sehr viel mehr als durch ein strukturiertes, »business-mäßiges« Meeting.
Der zweite Grund ist der, dass du das Kind zusammen mit seiner Familie erlebst, und das wird dich zu einem umfassenden Verständnis seines Lebens geleiten. Auf diese Weise qualifizierst du dich immer wieder und bist ihm eine wahre Hilfe, wenn es diese später braucht.

    So wie bei den Dialogen mit Kindern ist es auch hier ein Imperativ, Situationen wie folgende zu vermeiden: »Wir müssen dieses schlimme Kind in ein gutes verwandeln!« Die vorherrschende Atmosphäre sollte sich eher aus einem Satz ergeben, der so klingt: »Lasst uns schauen, wie das Leben eures Sohnes von innen aussieht, vielleicht können wir es verbessern!« Viele Eltern fühlen sich schuldig
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