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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)
Autoren: Jesper Juul
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wäre wütend auf dich. Es würde mich sehr verwundern, wenn sie das wäre. Was da geschieht, ist für Kinder ihres Alters normal: Sie fühlen sich unsicher, ungeschützt und frustriert, wenn sich das mütterliche Verhalten, an das sie sich gewöhnt haben und das sie mit »Liebe« identifizieren, plötzlich verändert. Es verändert sich, und es wird sich in den nächsten zwei Jahren sehr oft verändern, wenn du deine eigenen Bedürfnisse wiederentdeckst und deine Tochter allmählich feststellt, dass ihr beide zwei unterschiedliche Wesen seid. In diesem Prozess werdet ihr beide öfters mal frustriert sein. Während deine Tochter heranwächst, wird sie manches Mal wütend sein auf dich – und du auf sie. Jetzt, wo du sie abstillen musst, drückt sie ihre Frustration aus, und das heißt lediglich: »Mir gefällt es gar nicht, wenn du unsere Routine unterläufst, aber ich vertraue dir und arbeite daran!« Die Kindheit ist ein einziger, langer und kontinuierlicher Lernprozess, und ein Teil davon geht mit Frustration einher, führt aber gleichzeitig auch zu deren Verschwinden. Wenn du also die momentane Reaktion deiner Tochter persönlich nimmst, ja ein Problem daraus machst oder euch beide vor Frustration schonen möchtest, wirst du Schwierigkeit haben – ihr beide werdet miteinander Schwierigkeiten haben.«
    Hier ist eine Mutter über etwas besorgt, was sie für sich als mütterliches Scheitern betrachtet. Und wenn sie mit dieser Problematik nicht klarkommt, wird sie zu ihrer Tochter eine »risikoreiche Beziehung« aufbauen – entweder weil sie sich die meiste Zeit schuldig fühlt oder weil ihr Hauptziel das ist, beliebt zu sein, oder aus beiden Gründen. Als Therapeuten konfrontieren wir uns oft mit der Schattenseite des folgenden Phänomens: Junge Eltern fangen an, ihre Kinder zu beschimpfen, wenn diese allmählich dem Alter von zwei bis drei Jahren, wo sie nur »süß« waren, entwachsen. Aber selbst wenn das nicht geschieht, gibt es endlose Machtkämpfe ohne Gewinner.
    Die Sorgen der jungen Mutter können auch eine Konsequenz des Aggressionstabus sein, oder aber ihre Einstellung zu Elternschaft und Babys ist überaus romantisch. Was auch immer der Grund ihrer Sorgen letztlich sein mag, wichtig ist, daran zu erinnern, dass grundlegende Informationen genau dann kommuniziert werden sollten, wenn Eltern bereit sind, zuzuhören – das heißt, wenn sie frustriert und unsicher sind, wenn sie über ihren Wert als Mutter oder Vater nachdenken. Eltern reagieren auf Verlust nicht anders als Kinder und andere Menschen. Einige neigen zu Selbstzerstörung (Schuldgefühle, schlechtes Gewissen), andere werden aggressiv, gewalttätig und destruktiv. Beide Reaktionen entziehen den Kindern Selbstwertgefühl, und so wird der Circulus vitiosus nicht abgebrochen, sondern in die nächste Generation weitergetragen.
    Wenn du keine dieser Tendenzen aufweist, musst du dir grundsätzlich keine Sorgen machen. Dir und deinen Kindern wird es gutgehen! Solltest du dein Kind als aggressiv/frustriert/wütend erfahren – jenseits dessen, was für sein Alter und seine Entwicklung normal ist – nimm dir Zeit! Es ist nie zu spät. Wenn Erzieher, Lehrer, Pädagogen oder weitere Familienmitglieder dein Kind als aggressiv einstufen, hör allen aufmerksam zu und lass dir viele konkrete Beispiele nennen, in denen dein Kind aggressiv gewesen sein soll. Sei dir eines sehr verbreiteten Fehlers bewusst, den viele machen: Sie nehmen an, es gebe ein Problem, wenn ihr Kind im Kindergarten Aggression zeige, die sie aber zu Hause nicht beobachten können und umgekehrt. Wo immer sich dein Kind aggressiv verhält, für seine momentane Lebensqualität und seine wichtigsten Beziehungen ist es bedeutend, dass sein gesamtes Erwachsenen-Netzwerk dafür verantwortlich ist und sich der Sache widmen muss, um das Problem herauszufinden, bevor es Schlussfolgerungen zieht oder Lösungen vorschlägt. Gerate also nicht in Panik und versuche, dein Gefühl der Inkompetenz so schnell wie möglich zu überwinden. Sollte sich herausstellen, dass dein Kind wirklich ein Problem in seinem Leben hat, dann richte deine Aufmerksamkeit und Energie darauf und nicht auf den Erhalt deines Bildes oder Selbstbildes.
    Weiter unten habe ich versucht, eine kurze Liste – eine Art Checkliste – von Aspekten zusammenzustellen, die du berücksichtigen kannst, wenn dein Kind tatsächlich aggressiv wird – zu Hause, außerhalb der Familie oder sowohl als auch. Diese Liste kann dich und dein Kind
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