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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)
Autoren: Jesper Juul
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Hauptsache ist, nicht auf zwei Stühlen sitzen zu bleiben. Das führt nur zu Stress, Überanstrengung und Frustration – und das beeinflusst jede Arbeit nur negativ.
    Vielleicht hat der eine oder andere Leser es bereits festgestellt – ich bin auch ein Moralist. Der entscheidende Unterschied ist der, dass sich meine Moral auf erwachsene Berufstätige bezieht, die jede Menge Wahlmöglichkeiten haben, sie bezieht sich nicht auf Kinder, die gar keine Wahl haben.
    Wenn du Vater oder Mutter eines aggressiven oder gewalttätigen Kindes bist, bereite dich auf eine Veränderung vor – in deiner Denkweise und deinem Verhalten. Die Veränderung stellt sich dann ein, wenn du die im Kapitel drei erwähnten und weiter unten beschriebenen fünf Schritte ernst nimmst:
Dialog,
Interesse,
Neugierde,
Anerkennung,
persönliches Feedback.

    Das Statement folgender Mutter könnte dir bei der Entscheidungsfindung helfen:
    Die Mutter eines dreizehnjährigen Jungen war in großer Sorge, dass ihr Sohn bis zu fünf, sechs Stunden täglich am Abend und in der Nacht am »Computer spielt«. Sie hatte bereits jeden Ratschlag befolgt, den viele in solchen Fällen geben, aber nichts hat geholfen. Ich habe sie mit ihrem Sohn zu einem Gespräch zu mir eingeladen; die erste Aufgabe sollte dabei sein, dass sie sich für das, was ihr Sohn tut, interessiert und ihn fragt, was ihm am »Computerspielen« Spaß mache, was es ihm in seinem Leben bedeute. Ihre prompte Antwort auf diese Einladung war: »Das kann ich doch nicht tun!« Warum, fragte ich sie. »Weil ich dagegen bin!«
    Ich antwortete ihr darauf, indem ich klarstellte, sie müsse sich entscheiden, ob sie gegen das Computerspiel oder gegen ihren Sohn ist. Glücklicherweise entschied sie sich für ihren Sohn.
    Unsere Kinder zu lieben ist keine Leistung, sondern ein Geschenk, das wir zum Zeitpunkt ihrer Geburt empfangen. Sie bedingungslos zu lieben für das, was sie sind in jedem Augenblick ihrer Entwicklung, ist manchmal anstrengend, und dafür ist nicht jeder von uns geschaffen – jedenfalls so lange nicht, bis wir durch ihr Verhalten herausgefordert und eingeladen werden, auf unsere eigene Geschichte und unsere eigenen Erfahrungen einen Blick zu werfen.

Die fünf Schritte
    Dialog
    Sehr wenige Menschen haben in ihrem Leben einen wahren Dialog erlebt. Jeder von uns hatte zig Konversationen, Debatten, Diskussionen und Verhandlungen auf intellektueller wie persönlicher Ebene – aber keinen Dialog. Wenn wir von einem Dialog zwischen Erwachsenen und Kindern sprechen, geht es uns immer auch um die Fähigkeiten, die ein Mensch haben muss, um einen Dialog zu initiieren und zu führen. Der verbale Austausch zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Erziehern, Lehrern, Pädagogen und Kindern läuft in den meisten Fällen nach folgendem Muster ab: Der Erwachsene stellt dem Kind Fragen, und das Kind antwortet darauf, oder der Erwachsene unterweist und belehrt das Kind, während das Kind bestätigt, ob es das Vorgetragene verstanden oder nicht verstanden hat. Ein Dialog ist aber etwas ganz anderes.
    Um einen Dialog führen zu können, musst du in der Lage sein, dich selbst zu »entleeren« – das heißt, dich von deinen Vorurteilen, Meinungen, Haltungen und Zielen (abgesehen von dem Ziel, eine erfolgreiche Begegnung zu ihrem Ende zu bringen) freizumachen und folglich dich – deine Sinne, deinen Intellekt, deine Lebenserfahrung, deine Empathie und dein Mitgefühl – für das Kind, mit dem du gerade in diesem Augenblick zusammen bist, zugänglich zu machen. In einer modernen Terminologie, die heute recht beliebt ist, nennen wir das »Achtsamkeit« – das ist ein Zustand, in dem dein Bewusstsein auf das, was ist oder gerade vorgeht, so fokussiert ist, dass es dir erlaubt, Unbekanntes in dir selbst und der anderen Person zu entdecken, statt zum Beispiel dauernd nur deine eigenen Theorien und Methoden zu bestätigen.
    Mein Rat ist, das Kind nicht zu instruieren, wie es sich während des Dialoges zu präsentieren oder verhalten hat. Was in den meisten Fällen geschieht, ist, dass das Kind sich sehr schnell an deinen Bewusstseinszustand anpasst. Die meisten Dialoge mit Kindern und Jugendlichen sind relativ kurz – sie dauern fünf bis dreißig Minuten – und wenn im Lauf von zwei, drei Minuten keiner etwas Neues einbringen kann, dann solltest du den Dialog beenden und ihn ein anderes Mal fortsetzen. Ein Dialog war dann fruchtbar, wenn beide Teilnehmer weiser geworden sind und etwas mehr über sich selbst
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