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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz
Autoren: Anja Bagus
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wirkte.
    Der Formaldehydgeruch würde ihr wahrscheinlich noch den ganzen Tag folgen. Sie beeilte sich, dem bedrückenden Keller zu entfliehen.
    * * *
     
    Paul Falkenberg war überwältigt.
    Sein Blick streifte von dem lebensecht ausgestopften Exemplar einer Löwin auf der Lauer über die unzähligen in Leder gebundenen Buchrücken, die Vitrinen, in denen farbenprächtige Schmetterlinge und andere Insekten ausgestellt waren, zu den Vasen und Statuen, Masken und Waffen, hin zu den verschlossenen Schränken, die weitere fantastische Schätze verhießen. Und dieser Raum, der über zwei Etagen ging, mit Leitern und Galerie war nur einer von vielen, allein in diesem Haus.
    Er wusste, dass Professor Rosenherz noch ein Haus in Heidelberg besaß, eines in der Provence und mindestens eine Wohnung in Übersee. Wahrscheinlich hatte er auch noch Teile seiner Sammlung in seinem Büro in der Universität Heidelberg. Da würde er auch hinfahren müssen.
    Paul war von seinem Vater geschickt worden, die Sammlung zu katalogisieren. Peter Falkenberg hielt er nichts von Kunsthistorikern, jedenfalls nicht als Beruf für seinen ältesten Sohn, aber er war in diesem Fall einmal ganz glücklich mit dessen Berufswahl. Gut, dass Paul noch einen Bruder hatte, der zum Militär gegangen war. Friedrich war so, wie nach der Meinung seines Vaters ein Mann zu sein hatte. Das war Paul nur recht, denn so hatte er Narrenfreiheit und er war seinem kleinen Bruder immer dankbar, wenn der sich ins Rampenlicht stellte.
    Nachdem er sich sattgesehen hatte, suchte er nach einem Platz, von dem aus er mit der Arbeit beginnen konnte. Er räumte auf dem Schreibtisch ein paar Dinge beiseite und legte seine Kladde ab. Sie war sehr groß, denn in Erwartung des Umfangs der Sammlung wollte er nicht an Papier geizen. Er setzte sich auf den Stuhl und öffnete das Buch. Nein, er brauchte mehr Platz. Er nahm eine gerahmte Fotografie und wollte sie auf die Seite stellen, als sein Blick darauf fiel.
    Abgebildet war eine sitzende junge Frau. Sie trug ein Reitkostüm und streichelte einen Zwergschnauzer, der auf ihrem Schoss saß. Ihre dunklen langen Haare trug sie offen, nur ein paar Strähnen aus dem Gesicht gesteckt. Sie lächelte in die Kamera und Paul fühlte, dass sie jemanden angelächelt hatte, den sie sehr mochte. Dies musste Annabelle Rosenherz sein und wahrscheinlich hatte ihr Vater hinter dem Fotografen gestanden.
    Paul dachte in diesem Moment nicht darüber nach, ob Annabelle schön war oder eher von schlichtem Aussehen. Er fühlte sich durch ihren Anblick belebt, als ob sie ihn anschaute und gleich sagen würde: “Komm mit ausreiten!“ Sie würde ihn bei der Hand nehmen, und wie ein Sommerwind durchs Haus wehen, nach draußen, auf die Wiese ...
    „ Was machen Sie da?“
    Paul sah verdutzt auf. In der Tür stand die echte Annabelle, in Farbe, und überhaupt nicht leicht wie ein Sommerwind, eher wie eine steife Brise, die ihm gerade eiskalt ins Gesicht wehte.
    „ Ich, äh ...“
    „ Was erlauben Sie sich? Das ist der Schreibtisch meines Vaters. Stehen Sie sofort auf!“
    Automatisch befolgte er den Befehl. „Entschuldigen Sie, ich ...“
    „ Frau Barbara!“, rief Annabelle laut. Sie drängelte sich an ihm vorbei und riss ihm dabei das Bild aus der Hand. Sie roch nach Maiglöckchen und – Formaldehyd?
    Die Haushälterin kam um die Ecke geschnauft.
    „ Was tut dieser Mann hier?“, fragte Annabelle, und zeigte, immer noch aufgebracht, auf ihn.
    „ Der Anwalt, Herr Falkenberg ...“, japste Frau Barbara und hielt sich am Türrahmen fest.
    „ Ich bin Paul Falkenberg, Peter Falkenbergs Sohn“, ergriff nun Paul das Wort. „Mein Vater hat mich beauftragt, die Sammlung Ihres Vaters zu katalogisieren. Ich bin Kunsthistoriker.“ Er streckte die Hand aus und verbeugte sich leicht.
    Annabelle sah ihn verdutzt an, dann gab sie ihm ihre Hand.
    „ Das ist der Tisch meines Vaters“, sagte sie mit ärgerlich gerunzelter Stirn.
    „ Ich weiß“, sagte Paul, der merkte, dass sich der Sturm gelegt hatte.
    „ Sie müssen sich einen anderen Platz suchen.” Sie stand noch immer ganz steif vor ihm.
    „ Ich werde mir ein Pult besorgen.“ Sie sah ihn nicht an.
    „ Mein Vater ist nicht tot.“ Sie sagte das sehr fest, aber er spürte starke Emotionen dahinter.
    „ Ich werde sorgfältig mit seinen Sachen umgehen“, sagte er beruhigend.
    Jetzt schaute sie ihn an. Ihre Augen waren grün mit goldenen und braunen Punkten, und sie hatte ein paar Sommersprossen auf der
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