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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Autoren: Barbara Dribbusch
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einer Mischung aus Kunstgalerie und Alchemistenlabor. Auf dem Regal an der Wand stehen Haarpflegemittel für glattes, widerspenstiges, gefärbtes oder fettiges Haar. Sie sehen aus wie Zaubertinkturen.
    Wenn er seine Philosophie der Vergänglichkeit erklärt, kommt Steffen auf die Chinesen zu sprechen. Hinten in der Ecke, wo er die Farben anmischt, hängt ein Kalender mit chinesischen Tierkreiszeichen, auf den Steffen gerne verweist.
    Kreisförmig – nicht linear wie bei uns – sei das asiatische Denken, behauptet Steffen. Bei den alten Chinesen spielte der persönliche Geburtstag kaum eine Rolle, jedenfalls nicht, bevor sie die 60 überschritten. Sie hatten immer an Neujahr das Gefühl, gemeinsam wieder ein Jahr älter geworden zu sein. Praktisch. Wichtiger als eine Jahreszahl sei für die Chinesen die Frage, ob man beispielsweise im Jahr des Schafes oder des Affen geboren sei, erzählt mein Friseur.
    Ich gehöre zur Generation Affe, Jahrgang 1956 , und befinde mich daher im gleichen Tierkreis wie die Jahrgänge 1980 und 1992 . Die Affen sind schlau und flexibel, so was hört man natürlich gern. Ob man dabei nun eine »Fünfzigerin« sei wie ich oder eine »Dreißigerin«, spiele keine so große Rolle, behauptet Steffen. Denn alles bewege sich sowieso im Kreis des Lebens und strebe nicht linear auf irgendein Ende zu. »Dieser westliche Generationenkram ist nur im Kopf.«
    Wasserbüffel müsste man sein
    Steffen schafft das Magische, das beliebte Friseure, erfahrene Playboys und angehimmelte Therapeuten können: Sie vermitteln ein bisschen Geborgenheit und geben dir das Gefühl, dass du etwas Besonderes bist. Einzigartig und spannend. Seit 25 Jahren schauen Steffen und ich alle zwei Monate gemeinsam in den Spiegel. Er hat inzwischen schütteres Haar und viele Lachfalten um die Augen. Steffen trägt genau wie ich neuerdings eine Gleitsichtbrille, um die grauen Strähnen im Schopf seiner Kunden besser erkennen zu können. Wir altern gemeinsam, und das verbindet.
    Ich sitze auch heute wieder auf einem seiner nostalgischen, klobigen Friseurstühle, die aussehen, als hätte er sie in einer Nachtaktion aus einem Lagerhaus geklaut.
    »Bloß nicht durchblondieren«, sagt Steffen, während er meinen aktuellen Zustand begutachtet und ein paar Haarsträhnen prüfend zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt, als handle es sich um wertvolles Seidentuch. »Durchblondieren ist prolo.« Steffen färbt mir schon seit Langem sorgfältig helle Strähnchen ins Haar. Das mit den hellen Strähnen habe ich angefangen, damit die grauen Haare nicht so auffallen.
    Wobei ich von Steffen weiß, dass es so etwas wie »graue Haare« gar nicht gibt. Haare werden weiß, und das liegt daran, dass die Haarbälge keine Farbstoffe mehr produzieren. Bei den Tieren »ergrauen« nur die wenigsten Exemplare. Wasserbüffel zum Beispiel sind sogar umgekehrt in der Blüte ihres Lebens grau und dunkeln im Alter nach. Nur mal angenommen, wir hätten den Wasserbüffelblick: Dann wäre grau supersexy. Und die Haarfarbenhersteller gingen pleite.
    Die Wahrnehmung des Alterns hängt also immer auch vom Standpunkt ab. Und der kann recht unterschiedlich sein. Das sei auch eine Frage der Milieus, seufzte Steffen einmal.
    Sein Schlüsselerlebnis zum Thema alt sein widerfuhr ihm schon Jahre zuvor, mit 45 . Als Steffen in der Sauna mit einem deutlich Jüngeren Sex hatte, erklärte dieser anschließend: »Du, jetzt hätteich doch gerne 50 Euro von dir.« »Es war bitter«, erzählte Steffen, »ein Wendepunkt. Man könnte auch sagen: Die 50 -Euro-Grenze istdasEntscheidende, da gibt es ein Davor und ein Danach«. Steffen kennt den Terror der unumkehrbaren Abwärtsbewegungen.
    Wir Frauen bekommen in unserem Restpatriarchat gerne nochmal extra eins drauf. Ich war erst 29 , als ich zum ersten Mal von einem Typen den Satz hörte: »Was? Schon 29 ! Du hast dich aber gut gehalten!« So ging das weiter, immer der gleiche Satz, in jeder neuen Altersphase. Auch mit 50 hatte ich mich noch »gut gehalten«. Ich fühlte mich wie ein Joghurt, der sich seinem Verfallsdatum nähert. Ein Wunder, dass mir noch niemand ein rotes Schild mit Rabattpreis auf die Stirn pappen wollte.
    Dabei waren Verfall und Verjüngung schon immer eng miteinander verbunden: Im alten Rom färbten die Frauen ihre grauen Haare tiefschwarz, indem sie Blutegel zusammen mit Wein undEssig in einem geschlossenen Gefäß sechs Wochen lang verwesen ließen und sich die Tinktur anschließend in die Haare schmierten.
    Die
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