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Aelita

Aelita

Titel: Aelita
Autoren: Alexej Tolstoi
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diesen beiden Kugeln vorbeiging. Da beschloß Losj, ein gefährliches Manöver anzuwenden, nämlich die Drehung des Apparathalses, um einen Ausschlag der Führungsachse zu bewirken und dadurch eine Abweichung von der Trajektorte des Fluges herbeizuführen.
Die Drehung gelang. Die Richtung begann sich zu ändern. Die warme Kugel stand nach einiger Zeit im Zenit.
    Der Raum und die Zeit flogen und flogen immerfort dahin. Losj und Gussew preßten sich bald mit dem Gesicht zur Beobachtung des Firmaments gegen die Gläser der Okulare, bald lagen sie auf den Fellen und Decken, die unordentlich umherlagen.
    Die letzten Kräfte schwanden ihnen. Durst quälte sie; der ganze Wasservorrat war ausgetrunken.
Und da – in einem halbohnmächtigen Zustand – sah Losj, wie die Felle, die Decken und die Säcke an den Wänden entlangkrochen. Der Körper Gussews hing, nackt bis zum Gürtel, in der Luft. All das glich einer Fieberphantasie. Es stellte sich heraus, daß Gussew vor einem der Ausgucke lag, mit dem Gesicht nach unten am Okular. Jetzt erhob er sich ein wenig, faßte sich an die Brust, schüttelte seinen zotteligen Kopf, das Gesicht war tränenüberströmt, der Schnurrbart hing herunter.
»Sie, die liebe, teure – die Heimat!….«
Mit seinem getrübten Bewußtsein begriff Losj immerhin, daß der Apparat sich umgedreht hatte und mit dem Hals voran flog, angezogen von der Schwerkraft der Erde. Er kroch zu den Rheostaten und schaltete sie um – das Ei erzitterte unter Donnergetöse. Er beugte sich über das Okular.
In der Finsternis hing eine von Sonnenlicht überflutete ungeheure wässerige Kugel. Die Ozeane darauf erschienen himmelblau, die Umrisse der Inseln grünlich, einer der Kontinente war von Wolkenfeldern verhüllt. Die feuchte Kugel drehte sich langsam um sich selbst. Tränen verdeckten Losj den Blick. Mit Tränen der Liebe flog das Herz dem blaufeuchten Pfeiler des Alls entgegen. Heimat der Menschheit! Samenkorn des Lebens! Herz der Welt!
    Die Erdkugel verdeckte jetzt den halben Himmel. Losj drehte an den Schaltern der Rheostate, bis es nicht mehr weiter ging. Trotzdem war der Flug des Apparates noch sehr ungestüm; die Außenhülle war glühend heiß, die zweite Innenhülle aus Gummi begann zu sieden, die Innenverkleidung aus Leder rauchte. Mit letzter Kraftanstrengung öffnete Gussew ein wenig den Deckel einer Luke. Durch den Spalt drang heulend ein eisiger Wind. Die Erde öffnete ihre Arme und empfing die verlorenen Söhne.
    Der Aufschlag war heftig. Die äußere Verschalung platzte. Das Ei hatte sich mit seinem Hals tief in eine grasbewachsene Anhöhe gebohrt.
    Es war um die Mittagszeit und Sonntag, am dritten Juni. In großer Entfernung vom Ort des Falles – am Ufer des Michigansees – hörten die Leute, die in Booten spazierenfuhren, auf den offenen Terrassen der Restaurants und Kaffeehäuser saßen oder Golf, Tennis und Fußball spielten, Drachen zum wolkenlosen Himmel aufsteigen ließen, – alle diese unzähligen Menschen, die am Tage ihrer Sonntagsruhe hinausgefahren waren, um sich an den reizvollen grünen Ufern und am sommerlichen Rauschen der Baumkronen zu erfreuen, sie alle hörten einen etwa fünf Minuten dauernden seltsamen heulenden Ton.
    Diejenigen, die sich an die Zeit des Weltkrieges erinnerten, sagten, während sie den Himmel betrachteten, daß so gewöhnlich die Geschosse der schweren Geschütze geheult hätten. Vielen war es sogar gelungen, einen rasch auf die Erde zugleitenden eiförmigen Schatten zu sehen.
    Es war noch keine Stunde vergangen, als eine große Menschenmenge die Stelle umstand, an welcher der Apparat niedergegangen war. Die Neugierigen kamen von allen Seiten angelaufen, sie kletterten über Hecken und Zäune, rasten mit Automobilen herbei und fuhren in Booten über den blauen See. Das Ei stand – bedeckt von einer rußigen Kruste, verbeult und geplatzt, halb auf der Seite liegend – auf der Anhöhe. Es wurde eine ganze Reihe von Vermutungen ausgesprochen, die eine unsinniger als die andere. Eine ganz besondere Erregung bemächtigte sich aber der Menge, als jemand die mit einem Meißel in den halbgeöffneten Deckel der Luke eingehauene Inschrift gelesen hatte: »RSFSR. Aus Petrograd abgeflogen am 18. August 192..« Dies war um so erstaunlicher, als man heute den dritten Juni neunzehnhundertund…. schrieb. Kurz und gut, der Vermerk auf dem Apparat war vor rund dreieinhalb Jahren gemacht worden.
    Als dann aus dem Innern des geheimnisvollen Apparates ein schwaches Stöhnen
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