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Aelita

Aelita

Titel: Aelita
Autoren: Alexej Tolstoi
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soll ich mit den Sachen kommen?«
»Morgen. Ich muß Sie mit dem Apparat vertraut machen. Wie heißen Sie?«
»Gussew, Alexej Iwanowitsch.«
»Ihr Beruf?«
Gussew warf Losj einen zerstreuten Blick zu und senkte die Augen auf seine Hand, deren Finger hin und wieder auf den Tisch klopften.
»Ich kann lesen und schreiben«, sagte er, »und verstehe ganz gut mit dem Automobil umzugehen. Bin auch als Beobachter mit dem Aeroplan geflogen. Seit meinem achtzehnten Jahr ist der Krieg mein Beruf – das ist alles, was ich kann. Ich war mehrfach verwundet. Jetzt gehöre ich zur Reserve.« Plötzlich rieb er sich heftig den Scheitel, lachte kurz auf. »Ja, diese sieben Jahre hatten es in sich! Von Rechts wegen hätte ich jetzt ein Regiment kommandieren müssen, aber ich habe so einen unverträglichen Charakter! Sind die Kriegshandlungen eingestellt, kann ich nicht stillsitzen: es zieht mich hinaus. In mir ist alles vergiftet. Ich lasse mir dann einen dienstlichen Auftrag geben oder laufe einfach so davon.« (Er rieb sich den Kopf und lächelte.) »Vier Republiken habe ich gegründet – ich kann mich jetzt nicht mal mehr an diese Städte erinnern. Einmal hab ich an dreihundert Burschen zusammengebracht, und wir machten uns auf, Indien zu erobern. Wir wollten uns dorthin durchschlagen. Doch wir verirrten uns in den Bergen, gerieten in einen Schneesturm, unter Lawinen, mußten die Pferde abschlachten. Nur wenige von uns sind zurückgekehrt. Zwei Monate war ich bei Machno, ich wollte mich mal richtig austoben, na ja, aber ich konnte mich nicht mit den Banditen anfreunden… Da bin ich in die Rote Armee gegangen. Die Polen haben wir aus Kiew verjagt – da war ich schon bei Budjonnyj * , in der Reiterei: ›Her mit Warschau!‹ Zum letztenmal wurde ich verwundet, als wir Perekop nahmen. Danach habe ich bald ein Jahr in allen möglichen Lazaretten herumgelegen.
Als ich entlassen war, wußte ich nicht wohin. Da kam mir dieses Mädchen in den Weg – ich heiratete. Ich habe eine gute Frau; sie tut mir leid, aber ich kann nicht zu Hause bleiben. Zurück ins Dorf kann ich nicht, Vater und Mutter sind gestorben, die Brüder gefallen, der Acker verkommen. In der Stadt habe ich nichts zu tun. Im Augenblick gibt es keinen Krieg, ist auch nicht in Aussicht. Ich bitte Sie, Mstislaw Sergejewitsch, nehmen Sie mich mit. Sie werden mich auf dem Mars brauchen können.«
»Nun, ich freue mich sehr«, sagte Losj und gab ihm die Hand. »Bis morgen!«
    * Bandenführer in der Ukraine während des Bürgerkrieges 1918/19.

Eine schlaflose Nacht
    Alles war zum Abflug von der Erde bereit. An den beiden folgenden Tagen waren sie, fast ohne Schlaf, damit beschäftigt gewesen, eine Unmenge Kleinigkeiten im Innern des Luftschiffes, in den hohlräumigen Kissen, zu verstauen. Die Meßinstrumente und Geräte wurden überprüft. Das Gerüst, das den Flugapparat umgab, wurde abgenommen, ein Teil des Daches abgetragen.
    Losj zeigte Gussew den Bewegungsmechanismus und die wichtigsten Vorrichtungen; Gussew erwies sich als ein geschickter und gelehriger Mann.
    Der Start war für morgen, um sechs Uhr abends, festgesetzt worden. Spät am Abend entließ Losj die Arbeiter und Gussew, löschte das elektrische Licht, außer der Birne über dem Tisch, und legte sich unausgezogen auf einer eisernen Bettstelle, die in einer Ecke des Schuppens hinter dem Stativ des Teleskops stand, zum Schlaf nieder.
    Die Nacht war still und sternenklar. Aber Losj schlief nicht. Die Arme unter dem Kopf verschränkt, blickte er ins Dunkel. Viele Tage lang hatte er sich zusammengenommen. Jetzt, in der letzten Nacht auf der Erde, ließ er sich gehen: Quäle dich, mein Herz, weine!
    Er dachte zurück… An das Zimmer im Halbdunkel… Ein Licht brennt hinter einem hochgestellten Buch. Der Geruch von Medikamenten, die Luft ist stickig. Am Fußboden, auf dem Teppich steht ein Becken. Wenn er aufsteht und an dem Becken vorbeigeht, schwanken Schatten an der Wand, über die düstere Tapete. Welche Qual! Im Bett Katja, seine Frau, die ihm das Teuerste ist auf der Welt; ihr Atem geht sehr schnell und leise. Auf dem Kissen ausgebreitet liegt das dichte verwirrte Haar.
    Die Knie hat sie unter der Decke hochgezogen. Katja geht fort von ihm. Das unlängst noch so gute, sanfte Gesicht ist verändert. Es ist gerötet, unruhig. Sie hat die Hand freigemacht und zupft mit den Fingern am Rand der Bettdecke. Losj nimmt ihre Hand und legt sie, immer wieder, unter die Decke.
    ›Mach doch die Augen auf, nun, schau mich
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