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Adressat unbekannt

Adressat unbekannt

Titel: Adressat unbekannt
Autoren: Dorothee Böhm
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1934
     
    MARTIN SCHULSE
    AKZEPTIERE DEINE BEDINGUNGEN BILANZ VOM ZWOELFTEN NOVEMBER WEIST DREIZEHN PROZENT STEIGERUNG AUF ZWEITER FEBRUAR VIERFACH BESTAETIGT GEMEINSCHAFTSAUSSTELLUNG ERSTER MAI TREFFE VORBEREITUNGEN ZUR ABREISE NACH MOSKAU FALLS SICH MARKT UNERWARTET OEFFNET FINANZIELLE INSTRUKTIONEN AN NEUER ADRESSE HINTERLEGT
    EISENSTEIN

GALERIE EISENSTEIN
SAN FRANCISCO, KALIFORNIEN, U.S.A.
    3. Januar 1934
    Herrn Martin Schulse
Schloß Rantzenburg
München, Deutschland
    Lieber, von uns allen geschätzter Martin,
    bitte vergiß nicht Großmutters Geburtstag. Am 8. wird sie 64. Amerikanische Betriebe werden für Deine Gesellschaft Junger Deutscher Maler 1000 Pinsel liefern. Mandelberg ist dem Verein auch beigetreten. Schicke am 25., jedoch nicht früher, 11 Picasso- Reproduktionen, 20 auf 90, an angeschlossene Galerien. Rote und blaue sollten überwiegen. Wir können Dir im Augenblick für diese Transaktion $ 8000 auszahlen. Beginne neues Rechnungsbuch 2.
    Unsere Gebete begleiten Dich jeden Tag, lieber Bruder,
    Eisenstein

GALERIE EISENSTEIN
SAN FRANCISCO, KALIFORNIEN, U.S.A.
    17. Januar 1934
    Herrn Martin Schulse
Schloß Rantzenburg
München, Deutschland
    Martin, lieber Bruder,
    gute Nachrichten! Vor fünf Tagen hat unser Depot 116 erreicht. Die Fleischmans haben uns noch einmal 10 000 Dollar vorgestreckt. Das müßte reichen, um den Bedarf der Gesellschaft Junger Deutscher Maler einen Monat lang zu decken. Aber laß uns wissen, wenn es zusätzliche Gelegenheiten gibt. Die Schweizer Miniaturen sind sehr gefragt. Beobachte den Markt aufmerksam und bereite Deine Abreise nach Zürich nach dem 1. Mai vor, sollten sich unerwartet zahlreiche Gelegenheiten auftun. Onkel Salomon wird sehr froh sein, Dich zu sehen, und ich weiß, daß Du seinem Urteil blind vertraust.
    Das Wetter ist vollkommen klar, und es gibt für die nächsten zwei Monate keine konkreten Gewitterwarnungen. Bereite für Deine Studenten folgende Reproduktionen vor: van Gogh, 15 auf 103, rot; Poussin, 20 auf 90, blau und gelb; Vermeer, 11 auf 33, rot und blau.
    Unsere Hoffnungen begleiten Deine neuen Unternehmungen.
    Eisenstein

GALERIE EISENSTEIN
SAN FRANCISCO, KALIFORNIEN, U.S.A.
    29. Januar 1934
    Herrn Martin Schulse
Schloß Rantzenburg
München, Deutschland
    Lieber Martin,
    Dein letzter Brief wurde versehentlich in die Geary Street Nummer 457, Raum 4, zugestellt. Tante Rheba sagt, richte Martin aus, er soll kürzer und klarer schreiben, damit seine Freunde alles verstehen, was er sagt. Ich bin sicher, alle sind auf Dein Familientreffen am 15. vorbereitet. Du wirst nach diesen vielen Festen müde sein und Deine Familie auf Deiner Reise nach Zürich mitnehmen wollen.
    Bevor Du jedoch abreist, bestelle die folgenden Reproduktionen für die Zweigstellen der Gesellschaft Junger Deutscher Maler, die sich schon auf die Gemeinschaftsausstellung im Mai, oder vielleicht sogar früher, freuen: Picasso, 17 auf 81, rot; van Gogh, 5 auf 42, weiß; Rubens, 15 auf 204, blau und gelb.
    Wir schließen Dich in unsere Gebete ein.
    Eisenstein

SCHLOSS RANTZENBURG
MÜNCHEN, DEUTSCHLAND
    12. Februar 1934
    Mr. Max Eisenstein
Galerie Eisenstein
San Francisco, Kalifornien, U.S.A.
    Max, mein alter Freund,
    mein Gott, Max, weißt Du überhaupt, was Du anrichtest? Ich werde versuchen müssen, diesen Brief mit Hilfe eines Amerikaners, den ich hier kennengelernt habe, außer Landes zu schmuggeln. Ich schreibe diese Bitte an Dich aus einer Verzweiflung heraus, die Du Dir nicht vorstellen kannst.
    Dieses verrückte Telegramm! Diese Briefe, die Du mir geschickt hast. Ich werde ihretwegen zur Rechenschaft gezogen. Die Briefe werden mir nicht zugestellt, sondern ich werde aufs Amt zitiert. Sie zeigen mir Deine Briefe und fordern, ich solle ihnen den Code geben. Einen Code? Wie kannst Du, ein langjähriger Freund, mir das antun?
    Begreifst Du eigentlich, hast Du irgendeine Vorstellung davon, daß Du mich zugrunde richtest? Schon jetzt zeitigt Dein Wahnsinn schreckliche Folgen. Ich bin harsch aufgefordert worden, von meinem Amt zurückzutreten. Heinrich ist nicht mehr im Jungvolk. Sie haben ihm gesagt, es wäre nicht gut für seine Gesundheit. Gott im Himmel, Max, weißt Du, was das bedeutet? Und Elsa, der ich nicht ein Wort davon zu sagen wage, ist bestürzt, weil die Parteimitglieder ihre Einladungen ablehnen und Baron von Freische nicht mit ihr spricht, wenn sie sich auf der Straße begegnen.
    Ja, ja, ich weiß, warum Du so handelst – aber verstehst Du denn nicht, daß ich nichts
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