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Admiral

Admiral

Titel: Admiral
Autoren: T.C. Boyle
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habe.«
    Nichts. Gretchen stand einfach da und machte ein geistesabwesendes Gesicht.
    »Es ist natürlich gewaschen und war ganz hinten in der obersten Schublade meiner Kommode, wo meine Mutter es damals verstaut hat, und darum weiß ich nicht, ob noch irgendein Geruch oder so daran ist, aber ich weiß, dass ich es getragen habe, weil Tupac damals mein Treibstoff war, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Wieder machte sie eine kleine Pause. »Aber schließlich waren wir alle mal vierzehn, stimmt’s?«
    Gretchen ließ nicht erkennen, dass sie sie gehört hatte – entweder das, oder sie wollte diese Behauptung glattweg verneinen. »Sie werden alles richtig machen, nicht?« sagte sie und sah Nisha in die Augen. »Gibt es noch etwas, was wir nicht besprochen haben?«
    Am Nachmittag zuvor, während des Gesprächs – das eigentlich gar kein Gespräch gewesen war, weil die Strikers bereits fest entschlossen waren und, hätte sie sich geweigert, einfach den Stundenlohn erhöht hätten, bis sie einverstanden gewesen wäre –, hatten sie sich rechts und links von ihr an die Bar gesetzt, sich über karamelfarbenen Scotch und eine Platte mit Ebi - und Maguro -Sushi gebeugt und ihr die Situation erklärt. Nur damit sie wusste, worum es hier ging. »Sie wissen doch, was Klonen ist?« sagte Gretchen. »Oder wie das gemacht wird? Sie erinnern sich an Dolly?«
    Nisha hielt ihr Glas und drückte den linken Ellbogen an die Messingstange der Bar im Wohnzimmer. Gerade hatte sie mit ihren Essstäbchen ein zweites Stück von den Ebi nehmen wollen, doch nun zog sie die Hand zurück. »Sie meinen die Countrysängerin?«
    »Das Schaf«, sagte Mr. Striker.
    »Das erste geklonte Säugetier«, ergänzte Gretchen. »Oder größere Säugetier.«
    »Ja«, sagte Nisha und nickte. »Ich erinnere mich. So ungefähr.«
    Es folgte ein kurzer Kurs über Genetik und die Methoden der Zellkerntransplantation, die der Welt Dolly, diverse Rinder, Schweine und Hamster und nun Admiral II geschenkt hatten, den ersten auf Bestellung geklonten Hund, ein Produkt von SalvaPet, Inc., einer Gentechnikfirma mit Niederlassungen in Seoul, San Juan und Cleveland. Gretchens Stimme klang gepresst, als sie schilderte, wie man kurz nach dem Unfall der Innenseite von Admirals Ohr eine Zelle entnommen und sie in ein Spenderei eingesetzt hatte, dessen Kern entfernt worden war, und wie man dann die Zelle durch einen elektrischen Impuls zur Teilung angeregt und den sich entwickelnden Embryo in den Uterus einer Leihmutter eingesetzt habe. »Die süßeste Golden-Retriever-Hündin, die ich je gesehen habe. Wie hieß sie noch mal, Cliff? Es war ein Blumenname, oder nicht?«
    »Rose.«
    »Rose? Bist du sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher.«
    »Ich dachte, es wäre … ach, ich weiß nicht. Bist du sicher, dass sie nicht Iris hieß?«
    »Der springende Punkt ist«, sagte er, stellte sein Glas ab und richtete den Blick auf Nisha, »man kann ein genetisches Duplikat des Tieres anfertigen, eine Art dreidimensionale Fotokopie, aber das heißt nicht, dass diese Kopie dann wie das Tier ist, das man … das man verloren hat.«
    »Es war so traurig«, sagte Gretchen.
    »Es ist die Pflege, die Aufzucht, auf die es ankommt. Man muss die Erfahrungen des Tiers, so weit es geht, reproduzieren.« Er zuckte die Schultern und griff nach der Flasche. »Wollen Sie noch einen?« fragte er, und sie hielt ihm ihr Glas hin. »Natürlich sind wir beide jetzt älter – und Sie ebenfalls, das ist uns klar –, aber trotzdem wollen wir möglichst genau dieselben Bedingungen schaffen, die Admiral zu dem gemacht haben, was er war, bis hin zu dem Spielzeug, das wir ihm gegeben haben, dem Futter, dem Zeitplan fürs Spielen und Spaziergänge und alles andere. Und da kommt es nun auf Sie an …«
    »Wir brauchen ein dauerhaftes Engagement«, hauchte Gretchen und beugte sich dabei so dicht zu Nisha, dass diese den Scotch riechen konnte. »Vier Jahre. So lange waren Sie das letztemal bei ihm. Bei Admiral, meine ich. Dem ursprünglichen Admiral.«
    Das Objekt all dieser Überlegungen war auf Gretchens Schoß eingeschlafen. Ein durch das Fenster fallender Sonnenstrahl, tastend wie ein Finger, beleuchtete den fahlen Flaum über den Augen des Hundes. In dieser Sekunde, in diesem Licht wirkte der kleine Admiral wie eine seltsame Mischung aus Affe und Strauß. Nisha dachte an Die Insel des Dr. Moreau , an die billige Version, in der Marlon Brando aussah, als wäre er ebenfalls genmanipuliert, und sie hätte,
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