Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adler schießen nicht

Adler schießen nicht

Titel: Adler schießen nicht
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
sein«, schimpfte sie. »Du warst doch derjenige, der nicht anbiß , oder ?«
    »Dann habe ich eben meine
Meinung geändert .«
    »Sag lieber, die Rote hat das
für dich besorgt .«
    »Sei dem, wie es sei«,
schlichtete ich. »Überlegen wir doch einmal sachlich. Wie wär’s, wenn wir Mao heute nachmittag einen Besuch abstatten ?«
    »Unter welchem Vorwand?«
    »Du bist eine amerikanische
Antiquitätensammlerin«, improvisierte ich. »Du hast von Mr. Maos einmaliger
Sammlung gehört und mußtest ihn einfach aufsuchen, in
der Hoffnung, daß er dir seine Schätze zeigt .«
    »Und was tust du inzwischen?
Jagst hinter diesem Rotschopf her, was ?«
    »Ich begleite dich«, beruhigte
ich sie. »Sonst kommt Mao am Schluß noch auf die Idee, auch dich seiner
Sammlung einzuverleiben .«
    »Wenn ich es recht überlege,
ist dieser Gedanke mir gar nicht so zuwider«, brummte sie eingeschnappt. »Einem
Mädchen kann viel Schlimmeres passieren, als einen chinesischen Millionär zu
bekommen, findest du nicht ?«
     
     
     

3
     
    Die Luft war feucht wie in
einer Waschküche, und die Wolken klebten wie Wattebäusche an den Hängen des Viktoria Peak. Immer wieder mußte ich durch dicke
Nebelschwaden stoßen.
    Endlich fand ich die gesuchte
Abzweigung und fuhr langsamer, bis nach ungefähr zweihundertfünfzig Metern Maos
Bergpalast aus dem Dunst auftauchte. Die Tore waren aus massivem Kupfer und
sehr hoch. An beiden Seiten standen Steinsäulen, auf denen sich oben gemeißelte
Steinlöwen duckten.
    »Löwen ?« wunderte sich Tess. »Ich glaubte immer, die Chinesen schwärmen für Drachen .«
    »Diese beiden Freunde hier sind
historische Löwen«, erklärte ich ihr. »Ich habe im Moment ihre Namen vergessen,
aber sie bewachten einst die Schätze eines Kaisers aus der T’ang -Dynastie .«
    »Und jetzt bewachen sie Maos
Schatzkammer ?«
    »Gemeinsam mit einer Menge
Männer.«
    Wir stiegen aus und gingen die
paar Meter bis zum Tor. An einer Steinsäule hing eine riesige Kupferglocke. Ihr
Ton klang wie eine Warnung.
    Tess fuhr zusammen. »Wem die
Stunde schlägt«, murmelte sie.
    »Paß bloß auf, daß sie dir
nicht schlägt«, antwortete ich.
    Ein Chinese mit ausdruckslosem
Gesicht erschien an der Pforte. Ich kramte mein bestes Kantonese zusammen und
erklärte dem Sohn des Landes unser Anliegen. Ohne eine Miene zu verziehen,
verbeugte sich der schlitzäugige Bursche und bat uns zu warten. Dann verschwand
er wieder.
    Ich übersetzte diese aufregende
Neuigkeit für Tess und steckte mir eine Zigarette an.
    »Wie beurteilst du die Chance,
daß er uns hineinläßt ?« fragte sie.
    »Das richtet sich einzig und
allein danach, welche Beschreibung der Junge von dir gibt .« Ich zog die Schultern hoch. »Und wenn Charlies Auskunft über Maos Achillesferse
stimmt.«
    Nebelfetzen wirbelten um uns
herum, von einer leichten Brise hin und her getrieben.
    »Wirklich gespenstisch«, meinte
Tess heiser, »findest du nicht ?«
    »Gespenstisch ist gar kein
Ausdruck. Mao muß einer der letzten Chinesen sein«, antwortete ich nüchtern,
»die immer noch wie Feudalherren leben. In Rotchina ist für Männer seines Schlages kein Platz. Mao unterscheidet sich aber auch von
den reichen Chinesen, die in Hongkong ihr Geld durch Handel machen und in ihrer
Einstellung zu neunzig Prozent westlich sind. Nein, dieser Mao ist anders als
alle, für mich ist er so etwas Ähnliches wie Fu Manchu .«
    »Was für kluge Vergleiche du
immer findest«, höhnte sie.
    Plötzlich erschien der Diener
wieder. Er schloß das Tor auf und bat uns, ihm zu folgen. Hinter uns klickte es
metallisch. Die Falle war zu.
    Tess stieß einen unterdrückten
Schrei aus, als das Gebäude im Nebel sichtbar wurde. Palast war wirklich das
einzige Wort, das ihm gerecht wurde.
    Wir stiegen sechs breite Marmorstufen hinauf und gingen durch eine riesige Tür
aus gehämmertem Messing.
    Der Diener deutete an, wo wir
warten sollten, dann zog er sich zurück. Die dicken Seidenteppiche
verschluckten den Klang seiner Schritte.
    An den Wänden der Empfangshalle
hingen kostbare Gobelins. Sonst aber war der Raum nur spärlich möbliert. Sechs
Stühle und zwei niedrige Tische mit gehämmerten Messingplatten bildeten das
gesamte Mobiliar. Eine Decke im üblichen Sinn gab es nicht, dafür eine Galerie.
Hoch über unseren Köpfen wölbte sich eine gewaltige Glaskuppel.
    »Das ist ja ungeheuerlich«,
stieß Tess hervor.
    »Kann man wohl sagen«, stimmte
ich zu. »Also halte die Augen nach herumfliegenden goldenen Adlern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher