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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt
Autoren: Nicole Balschun
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auf und
wieder zu, er sah grau aus und er sagte, wir müssen ihre Blumen gießen,
besonders die Christrosen.
    Drei Wochen später rief das
Krankenhaus an, um mitzuteilen, dass Tante Rosi tot war, und er weinte am
Telefon, als sie es ihm sagten. Was wird aus ihrem Garten, fragte er und meine
Mutter sagte, verkauf alles. Mein Vater ging hinaus und sah zu den Vögeln,
denen er ein Haus gebaut hatte für den Winter.
    Die Meisen hatten einen Kasten und er
hängte kleine Kugeln aus Körnerfutter und Bratenfett an eine Holzstange unter
das Einflugloch. Aus der Birke, an der früher einmal eine Schaukel hing, hatte
er ein Futterhaus für die Drosseln und Amseln gebaut, und wenn sich eine Katze
in unseren Garten verirrte, rief er, Mistvieh, und goss ihr Wasser auf den
Schwanz.
    An diesem Morgen stand er still in
unserem Garten und strich gedankenverloren über das Dach des Vogelhäuschens. Er
sah klein aus und alt und ich wollte zu ihm gehen und etwas sagen, etwas, das
den Schmerz kleiner machte, etwas, das meinen Vater, der jung war und witzig,
zurückbrachte in diesen Moment, aber ich wusste nicht, was, und so ging ich
hinaus und stellte mich neben ihn. Kalt heute, sagte ich und mein Vater weinte.

2
    Meine Mutter weigerte sich,
am Sonntag mit meinem Vater auf den Friedhof zu gehen, und so begleitete ich
ihn. Er öffnete das schwere Eisentor und ließ mich an ihm vorbeigehen. Er
wirkte unsicher, als er die Harke holte und die Gießkanne.
    Keine Schaufel hier, sagte er und
seine Augen wanderten nervös über die Gräberlandschaft. Ich suche eine, sagte
ich, entschied mich für die Gräbersiedlung zur Linken und setzte mich in
Bewegung.
    Die Eltern von Tante Rosi und meinem
Vater lagen nicht nebeneinander auf dem Friedhof, ein Grab zwischen ihnen war
frei und dort hatte Bo Tante Rosi in ihrer mächtigen Eichenkiste hinabgeseilt.
Dass meine Großeltern auf Lücke lagen, wie meine Mutter es scherzhaft nannte,
war ungewöhnlich, und an Allerheiligen vor drei Jahren zündete mein Vater an
ihrem Grab eine Kerze an und Tante Rosi sagte, den Luxus einer
nachbarschaftlichen Paarbeziehung hätten sie sich schon zu Lebzeiten gönnen
sollen. Meine Mutter lachte leise und sagte, da sind sie nicht die Einzigen,
und mein Vater sagte, ich hole eine Harke.
    Dass Tante Rosi mittendrin lag, passte
zu ihr, und ich wollte auf ihrem Grab einen Obstbaum pflanzen und im Sommer die
Körbe voller Obst an die Straße stellen mit einem Zettel daran, zum Mitnehmen.
    Das ist pietätlos, hatte mein Vater
gesagt und er kaufte Rosen und winterfeste Grünpflanzen und eine rote Kerze.
Meine Mutter sagte, vergiss die Heizdecke nicht, und mein Vater schüttelte mit
dem Kopf.
    Jetzt kniete er vor Tante Rosi nieder
und drückte die feuchte Erde fest um die Stauden und ich lief durch die
geharkten Wege zwischen den Gräbern, die kalten Steine links und rechts standen
wie Bäume in einer Allee.
    Schwarze Menschen standen vereinzelt
oder in kleinen Grüppchen vor einem Grab und niemand sprach. Man grüßte sich
kurz, ohne den Kopf zu heben, und ich verlangsamte meinen Schritt, um nicht zu
fröhlich zu wirken, denn an einen Ort wie diesen gehörte die Trauer, und schon
die bunten Blumen, die leise den Frühling ankündigten, spotteten ihrer und
wirkten absurd in ihren kurzen Röckchen.
    Die Wege waren nummeriert und Tante
Rosi lag in Nummer siebzehn. Drei Wege weiter sah ich einen Brunnen mit
mehreren Gießkannen, dort vermutete ich eine Schaufel. Ich bog zweimal ab und
in Weg Nummer neunundzwanzig traf ich auf Bo.
    Er stand vor einem offenen Grab und
stützte sich auf einen Spaten, den er in die frisch aufgeworfene Erde gesteckt
hatte. Ein anderer Mann stand mit einer Spitzhacke daneben, denn es lagen dicke
Steine in der Erde und der Spaten half erst in den tieferen Schichten.
    Bo drehte mir den Rücken zu und doch
war ich sicher, dass er es war. Die Kopfform und der gerade Nacken, seine
leicht arrogante Körperhaltung, ich hörte das dumpfe Plong, mit dem das
Gesangbuch auf Tante Rosi gefallen war, und sah Bo, wie er dem Wurm Schutzwälle
baute. Es waren die gleichen Schuhe, schwarze Ackerschuhe mit schwerer Sohle in
einer unvorstellbaren Dimension. Ich stellte mir meine Füße in seinen Schuhen
vor und lächelte, denn sie waren so groß, ich hätte darin wohnen können.
    Ich blieb stehen und starrte auf
seinen Rücken, der breit war, und seine feuchten Haare kräuselten sich über der
Jacke. Bo hatte dunkelblonde, dichte Locken und in der Sonne sahen sie aus
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