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Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)

Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)

Titel: Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
Autoren: Anne Tenino
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verstanden hatte.
    Paps grinste höhnisch, nickte dann und sah James herausfordernd an.
    So einen Mist musste er sich wirklich nicht anhören. Zur Hölle mit ihm. Paps konnte alleine alt und grau werden und sterben, wenn es nach ihm ging.
    James machte zwei Schritte nach vorne, bis er fast das Gesicht seines Vaters berührte. „Ich hab Neuigkeiten für dich, Paps. Wenn irgendwer mich schwul gemacht hat, dann du. Oder Mom. Es ist genetisch, du verdammter Mistkerl. Ich wurde schwul geboren.“
    „Ein roter Staat hätte dich vielleicht zu einem Hetero gemacht. Durch die Umerziehung.” Sein Vater gab nicht nach. Er glaubte sich völlig im Recht.
    James schnaubte. Es hatte keinen Sinn. „Ja, deren Version von hetero habe ich gesehen. Rate mal wie hoch die Selbstmordrate von Menschen ist, die als geheilt aus den Umerziehungslagern entlassen werden? 70 Prozent. Und diese Statistik stammt aus den Roten Staaten. Die Schätzung der Blauen Staaten liegt viel höher. Ich habe in Idaho einen Kerl getroffen, der in den Dreißigern ist und sein ganzes Leben lang geheim gehalten hat, dass er schwul ist, weil er nicht sterben will. Er denkt, dass ihn entweder jemand umbringt oder dass sie ihm in der Umerziehung etwas antun. Sein ganzes verdammtes Leben lang hat er verleugnet, was er ist, weil er fest daran glaubt, dass die Alternative der Tod ist. Ich werde verdammt noch mal nicht so leben. Wenn du damit nicht klarkommst, hole ich meine Sachen und du siehst mich nie wieder.“
    Schweigen. Schließlich sah sein Vater weg, weil er James’ Blick nicht mehr standhalten konnte. James schnaubte leise und ging in sein altes Zimmer. Er konnte weder Bedauern noch Vergebung aus den Gehirnströmen seines Vaters auffangen. Und auch nicht Traurigkeit. Nur Enttäuschung und Resignation.
    Es gab nur wenige Sachen, die James von hier mitnehmen wollte. Eigentlich brauchte er gar nichts davon. Aber eine Sache wollte er wirklich gerne mitnehmen.
    Er legte sich auf den Boden und griff unter seine alte Kommode. Er brauchte eine Weile, um den doppelten Boden zu öffnen und den Chip zu finden. Er holte ihn heraus und sah ihn sich an. Eigentlich war er nichts besonderes, aber es waren ungefähr zehn Fotos von Matt auf einer Highschool-Besäufnisparty darauf. Matt, voll bekleidet, etwas kleiner, ein wenig merkwürdig und ziemlich besoffen.
    Wie armselig war es eigentlich, dass er sich zu diesen Bildern mehrere hundert Male einen runtergeholt hatte? James seufzte. Verdammt armselig.
    Er stand auf, ließ den Chip in seine Tasche fallen und griff nach dem altertümlichen Foto von Gramma, nahm die Uhr von Grampa und ein paar Kleidungsstücke, die ihm vielleicht noch passten. Auf der Basis würde er auch Kleidung bekommen, wenn er welche brauchte.
    Er zögerte einen Moment, aber dann schnappte er sich die Familienbibel, die seine Mutter ihm dagelassen hatte. Der Stammbaum ihrer Familie war darin über Generationen hinweg akribisch aufgeführt. Er wusste nicht genau, warum er das Buch haben wollte, aber …
    James nahm sich die Schlüssel zur Familienkutsche auf dem Weg durch die Küche vom Haken. Das Elektroauto in ihrer Garage war immer fahrbereit, aber es war selten benutzt worden, als er noch hier gelebt hatte. In der Highschool hatte er seine Rennmaschine gehabt.
    Auf dem Weg durch das Familienzimmer – es gab eine Menge Familienkram in diesem Haus, dafür dass darin nie wirklich eine richtige Familie gelebt hatte – hielt er inne und sah seinen Vater an.
    „Du kannst den Wagen später auf der Basis abholen, wann immer du willst. Ich lasse ihn auf dem Besucherparkplatz stehen. Tut mir leid, dass du mich nicht so akzeptieren kannst wie ich bin, Paps. Ich wünsch dir ein schönes Leben.“
    Sein Vater war jetzt richtig wütend und unzufrieden.
    Während James durch die stockfinstere frühmorgendliche Landschaft fuhr, versuchte er. sich darüber klar zu werden wie er sich fühlte. Nicht wirklich wütend, auch nicht todtraurig oder schuldig. Er fühlte sich eigentlich nur benommen.
    Und vielleicht ein klein wenig erleichtert.

    D IREKT nach dem Frühstück brach James in einem P-Öl-Fahrzeug aus dem Basis-Fuhrpark zum Haus der Tennimores auf. Das Militär mischte das unbehandelte Pflanzenöl wenigstens mit genug Schmiermittel. Und er fand es ziemlich gut, dass sie ihre Fahrzeuge damit betrieben.
    Ein Teil von ihm wollte sich vor dem anstehenden Gespräch drücken, aber der größere Teil hatte mehr Angst davor, gar nicht darüber zu reden. Er konnte nicht
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