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Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Titel: Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Autoren: C.H.Beck
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jeweils durchgeführten Operationen miteinander verglichen werden, und zwar komplett mit der Angabe von Daten, wie viele der Operationen erfolgreich verlaufen sind. Unter erfolgreich wird dabei verstanden, dass der Patient sechs Wochen nach der Operation noch lebt. Das ist ein objektives Kriterium.
 
Krankenhaus A
Krankenhaus B
Gesamt
Patient stirbt
63
16
79
Patient überlebt
2037
784
2821
Gesamt
2100
800
2900
Sterberate in%
3,00
2,00
2,72
    Tabelle 5: Ergebnisse der Operationen in zwei Krankenhäusern
    Die Interpretation der Daten scheint einfach zu sein. Die Sterberate bei Operationen ist in Krankenhaus B geringer. Nur 16 von 800 Operationen führten zum Tod des Patienten innerhalb von sechs Wochen nach dem Eingriff. Das sind 2 %. In Krankenhaus A liegt die Sterberate bei 3 %. Sie sollten sich der anstehenden Operation also wohl in Krankenhaus B unterziehen.
    Wir setzen diesen Diskussionsstrang noch etwas fort. Angenommen, der von Ihnen konsultierte Zeitungsartikel enthält noch eine detailliertere Tabelle, in der aufgeschlüsselt wird, inwelchem Zustand sich die Patienten vor der Operation befanden, differenziert nach gutem und schlechtem Allgemeinzustand.
    Patientenzustand: Gut
 
Krankenhaus A
Krankenhaus B
Gesamt
Patient stirbt
6
8
14
Patient überlebt
594
592
1186
Gesamt
600
600
1200
Sterberate in%
1,00
1,33
1,17
    Tabelle 6: Bilanz der Operationen in zwei Krankenhäusern bei
gutem
Allgemeinzustand der Patienten
    Patientenzustand: Schlecht
 
Krankenhaus A
Krankenhaus B
Gesamt
Patient stirbt
57
8
65
Patient überlebt
1443
192
1635
Gesamt
1500
200
1700
Sterberate in%
3,80
4,00
3,82
    Tabelle 7: Bilanz der Operationen in zwei Krankenhäusern bei
schlechtem
Allgemeinzustand der Patienten
    Lässt man diese Daten auf sich wirken, verändert sich plötzlich das Bild. Bei den Patienten, die in gutem Zustand operiert wurden, beträgt die Sterberate in Krankenhaus A nur 1,00 % im Vergleich zu 1,33 % in Krankenhaus B. Und auch bei den Patienten, bei denen die Operation in schlechtem Allgemeinzustand erfolgte, ist die Sterberate in Krankenhaus A mit 3,80 % nun geringer als die in Krankenhaus B mit 4,00 %. Für beide Gruppen von Patienten ist die Sterberate in Krankenhaus A geringer.
    Wie sich leicht überprüfen lässt, ergibt die Summe der Fallzahlen aus den Tabellen 6 und 7 die Anzahlen in Tabelle 5. Es handelt sich also um eine seriöse Aufspaltung der Daten in zwei Teilmengen.
    Die Kuriosität liegt offen zutage. Nach dieser Datenlage scheint es jetzt ratsam, sich in Krankenhaus A operieren zu lassen, und zwar ganz unabhängig davon, ob man sich in einem guten oder einem schlechten Allgemeinzustand befindet. Die Verwirrung scheint komplett. Und die Paradoxie ist nicht nur rein akademisch. Es geht darum, eine Entscheidung zu fällen, in welchem Krankenhaus man sich der Operation unterziehen soll. Es ist eine relevante Frage und keine, der man ausweichen kann. Pointiert könnte man unsere Analyse so zusammenfassen: Geht’s dir gut, dann gehe in Krankenhaus A. Geht’s dir schlecht, dann gehe auch in Krankenhaus A. Geht’s dir gut oder schlecht, dann gehe in Krankenhaus B! Eine Schlussfolgerung fürs Absurditätenkabinett. Man darf in Anführungszeichen hinzufügen: Diese Datendeutung steht links nicht von dieser oder jener Richtung des Vergleichs, sondern ganz einfach links von der Möglichkeit sinnvollen Vergleichens überhaupt.

    Abbildung 6: Das Leben ist ein Spiel. Cartoon von N. N.
    Wie kann das alles wahr sein, woher kommt das, was ist zu tun?
    Inhaltlich aufgefächert, resultiert die veränderte Schlussfolgerung bei Datenzusammenfassung aus den unterschiedlich hohen Anteilen von Operationen an Patienten in schlechtem Gesundheitszustand in beiden Krankenhäusern. Diese treten in Krankenhaus A weitaus häufiger auf. Insgesamt 1500 von 2100 Operationen sind in Krankenhaus A solche Risikooperationen, in Krankenhaus B machen sie dagegen nur 200 von 800 Operationen aus. Und die Sterberaten bei Risikooperationen sind natürlich um einiges höher als bei den anderen Operationen. Durch gewichtete Mittelung ergeben sich aus diesen prozentualen Sterberaten die zusammengefassten Sterberaten von Tabelle 5:
    0,010 × (600/2100) + 0,038 × (1500/2100) = 0,03 oder 3 %
0,0133 × (600/800) + 0,040 × (200/800) = 0,02 oder 2 %
    Das ist zunächst nur ein erläuternder Anfang. Wir werden noch tiefer schürfen.
    Kleiner Ausflug ins Konstruktive.
Wer leichter geometrisch denkt als arithmetisch, für den sei zur Klärung noch
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