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Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Titel: Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Autoren: C.H.Beck
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Zahlen zu täuschen. Der Trick ist denkbar einfach. Er besteht darin, nur das Ergebnis der Datenaggregation publik zu machen, also die zusammengefassten Daten heranzuziehen und die Teilergebnisse schlicht zu ignorieren. Dabei sind es die Teilergebnisse, welche die wahre Geschichte erzählen. Datenkompression ist notwendig, keine Frage, aber zu starke Kompression kann falschen Interpretationen Vorschub leisten. Es ist unbedingt nötig, dieses Paradoxon zu popularisieren und Teil der Allgemeinbildung werden zu lassen.
    Kleine epistemologische Zugabe für Philosophen.
[ 4 ] Das Simpson-Paradoxon ist auch philosophisch bemerkenswert, demonstriert es doch in erstaunlicher Weise die Auswirkungen von zusätzlichen Informationen auf die Interpretation von Daten und wie sich aufgrund dieser Informationen Schlussfolgerungen umkehren können. Wir reißen diesen Problemkreis hier nur mit einer kurzen Abschlussüberlegung an. Dafür erzählen wir die Geschichte von den beiden Allergiemedikamenten noch etwas weiter.
    Angenommen, Sie sind Arzt und arbeiten als Experte für eine telefonische Hotline. Jemand, der unter Allergien leidet, ruft an. Nehmen wir vereinfachend zusätzlich an, es gebe für Allergiennur die beiden Medikamente
M 1
und
M 2
. Sie empfehlen dem Anrufer das Medikament
M 1
, denn es hat eine Heilungsquote von über 50 %, wenn alle Ergebnisse zusammengezählt werden, während die von Medikament
M 2
unter 50 % liegt. Doch Sie sind ein gut informierter Arzt und wissen zum Beispiel, dass – obwohl insgesamt Medikament
M 1
erfolgreicher war – bei einer Studie im Industrieviertel der Stadt mit einem hohen Schadstoffanteil in der Luft Medikament
M 1
von
M 2
in der Wirksamkeit übertroffen wurde. Um Ihrer ärztlichen Sorgfaltspflicht zu genügen, müssen Sie also im Interesse des Anrufers diesem die Frage stellen, ob er im Industriegebiet wohnt. Und nun ist es kurioserweise so, dass selbst, gesetzt den Fall, seine Antwort lautet «Nein!», sich aus der anderen Studie im Nicht-Industriegebiet ergibt, dass Medikament
M 2
das bessere von beiden ist. Unabhängig von der Antwort des Anrufers ist also Medikament
M 2
das bessere. Wenn der Arzt keine Frage nach dem Wohngebiet des Anrufers stellt, muss er
M 1
empfehlen. Nachdem er die Frage gestellt hat, muss er
M 2
empfehlen, sogar ohne die Antwort abzuwarten, allein aufgrund der Tatsache,
dass
er die Frage gestellt hat. Auch philosophisch gesehen ist es also kein B-Paradoxon.

2. Wenn du von hier nach dort umziehst und hier wie dort nimmt der mittlere IQ zu
Schlaue (Daten-)Schieberei
    Will Rogers war ein amerikanischer Kabarettist zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er war als Kosmokomiker und Humorist nicht schlecht bekannt, doch unsterblich geworden ist er nicht durch seine kabarettistischen Einlagen, sondern durch das nach ihm benannte Will-Rogers-Phänomen. Rogers hatte die massenhafte Umsiedlung von Farmern des Staates Oklahoma nach Kalifornien – Anlass gewesen war eine ökologische Katastrophe der 1830er Jahre, welche die Existenzgrundlage der Bauern zerstörte – mit diesen Worten kommentiert: «Als die ‹Olkies› nach Kalifornienumsiedelten, erhöhte sich der durchschnittliche Intelligenzquotient in beiden Staaten.»
    Das Will-Rogers-Phänomen bezeichnet seither einen kontraintuitiven Effekt bei der Mittelwertbildung in mehreren Gruppen. Wechselt ein Element von einer Gruppe in eine andere, so ist es möglich, dass in beiden Gruppen der neue Mittelwert einer Größe (z.B. des Intelligenzquotienten) zunimmt. Für diesen überraschenden Effekt gibt es natürlich Beispiele. Und einfache noch dazu. Um bei der namengebenden Situation zu bleiben: Mit seiner zugleich subtilen wie frechen Bemerkung meinte Will Rogers, dass der mittlere IQ in Oklahoma deshalb steige, weil mit den Farmern nur ein im Mittel weniger intelligenter Teil der Bevölkerung den Staat verlassen habe. In Kalifornien sei der IQ gestiegen, weil dort die residierende Bevölkerung im Mittel noch weniger intelligent sei als die immigrierenden Olkies.

    Abbildung 8: «Dies ist mein Bruder Dave. Er ist sehr intelligent, ein richtiges Erbsenhirn.» Cartoon von Tim Cordell.
    Ein konstruiertes Rechenexempel soll die Situation auch zahlenmäßig verdeutlichen.
    In der kleinen Gemeinde A-dorf haben die drei Bewohner ein mittleres Monatseinkommen von 2000, in der Gemeinde B-burg die sieben Bewohner ein mittleres Monatseinkommen von 7000 Euro. Im Einzelnen sind die Einkommen in Tausend Euro wie
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