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Achtung BABY!

Titel: Achtung BABY!
Autoren: Michael Mittermeier
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vielleicht eine Trotzreaktion hervorruft. Bekannte von mir haben das beide wie in einem Wettbewerb betrieben. Die Mutter sagte dem Kleinen immer vor: »Sag Mama, Mama … Mama …«
    Der Vater grätschte danach wieder rein: »Sag Papa, Papa … Papa …«
    Und dann kam das erste Wort: »Miau!«
    Ja, dann weißt du, wo das Herz des Kindes hängt. Das ist ein harter Tag im Leben von Eltern. »Miau!« Die Mutter hat es sichdann noch versucht schönzureden: »Aber da ist ein M drin wie in Mama!«
    Vor Kurzem prognostizierte eine Mutter auf dem Spielplatz, deren Kind ungefähr genauso alt wie Lilly ist, dass ihr Sohn wohl mal ein sehr höflicher Junge werde, wenn man sich seine ersten zwei Worte anschaute, die er von sich gegeben habe: »Er sagt immer ›bitte‹ und ›danke‹. Er sagt es halt auf seine Weise: ›titte‹ und ›tanke‹.«
    »Titte und Tanke? Das ist alles, was ein Mann braucht.«
    Das erste Wort. Bei uns war es der 17. Oktober 2008. Ich war mit Lilly abends alleine zu Hause. Lilly war an dem Tag etwas zartbesaitet, und beim Gute-Nacht-Wickeln fing sie an zu weinen. Dann guckte sie mich plötzlich mit traurigem Blick an und sagte das Wort der Worte: »Mama!«
    Ich habe mich so sehr gefreut und habe sofort heulend bei Gudrun im Studio angerufen: »Sie hat Mama gesagt!«
    »Mama« wurde ihr Wort für alles. Bei Freude, Hunger, Durst, Schmerzen tönte es durchs Haus: »Maaa, Mama!«
    Mitte Dezember dann fing Lilly an, lautstark Anweisungen zu geben. Sie vergaß leider, das Ganze in verständliche Sätze zu packen. Sie brabbelte, als ob sie eine multischizophrene Persönlichkeit wäre. Der Sprachklang änderte sich alle paar Tage: Mal klang es wie Hape-Kerkeling-Norwegisch, dann bekam es wieder so einen russischen Einschlag. Sie kam aber immer wieder auf die chinesischen Laute zurück. Ich schätzte, wahrscheinlich frühes Mandarin. Der nächste Sprachmeilenstein kam am 12. Januar 2009. Dieser Moment veränderte unser Zusammenleben. Gudrun fütterte Lilly mit Brei und stellte die kleine Frage: »Lilly, hast du noch Hunger?«
    Es erschallte die große Antwort: »Nein, nein!«
    Dabei schüttelte sie heftigst ihren Kopf und ließ keine Zweifel aufkommen, dass sie genau wusste, was sie da eben von sich gegeben hatte. Eltern wissen, dass das »nein« vieles erleichtert. Du fragst, und du kriegst eine Antwort. Man lernt aber auch, dassman bestimmte Fragen nicht mehr stellen sollte, zum Beispiel: »Sollen wir deinen Kopf waschen?« Man muss kein Hellseher sein, um zu erraten, welches der zwei Worte sie wohl als Antwort darauf anfügen würde. Das »nein« blieb, aber die Wortfindung dafür schien eine sehr anstrengende gewesen zu sein. Lillys Energie reichte offenbar nicht, da weiter anzuknüpfen. Die Russin und die Chinesin übernahmen wieder Lillys Gesprächsführung. Und das war in etwa so konstruktiv wie bei den Atomverhandlungen der UNO mit dem Iran. Man versucht vernünftig zu sprechen, aber ein Russe oder ein Chinese grätscht dann wieder rein und macht alles zunichte. Dazwischen gab es noch die Phasen, bei denen ich dachte, vielleicht kommuniziert meine Tochter doch mit Aliens, es war in manchen Momenten so eine niedliche Außerirdischensprache. Wie R2D2 mit Stimmbändern. Es war nur leider kein C3PO da, der sie verstand. So ein Effekt tritt später auch bei Kindern ein, die zwar schon sprechen, aber die Sätze noch innerlich auswürfeln. Ich war früher immer fasziniert, wenn kleine Kinder ein völliges Kauderwelsch sprachen: »Böglmängamooglmöp.«
    Wir Outsider-Umstehenden verstanden verständlicherweise kein Wort, aber die Eltern nickten kurz und übersetzten: »Sie meinte gerade, dass die aktuellen Gegebenheiten nicht viel Raum zur Spekulation zulassen und dass sie eine neue Puppenküche will.«
    Auch Eltern untereinander sprechen oft für die Außenwelt nicht verständlich. Vater und Mutter, das ist quasi eine metaphysische Verbindung, wie so eine Gruppe von Neutronenforschern. Man kennt sich aus und lässt Sätze fallen wie Deutsche ein Handtuch auf die Hotelpoolliege um 8.30 morgens: »Der Dreiersauger ist besser bei der HA2-Milch, weil der etwas mehr Flüssigkeit durchlässt.«
    Was war Lillys drittes Wort? Na? Also wenn wir ihr »Wawa« für Hund nicht mitzählen. Okay, und wenn wir vernachlässigen, dass »hattssi« eindeutig »Hatschi« bedeutete. Dann. Es war der 9. April 2009. Lilly sagte zum ersten Mal »Papa«. Und ohne Mundzuhalten! Etwas blöd war, als ich dann zwei Stunden
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