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Achtung BABY!

Titel: Achtung BABY!
Autoren: Michael Mittermeier
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machen musste. Und, wie schon gesagt, die meisten Eltern machen sich auch keine weiterführenden Gedanken. Meine Freunde trugen ihr Baby damals natürlich auch im Fliegergriff durch unsere Wohnung. Der Speichel bildete schon die ersten Pfützen auf dem bolivianischen Nussbaumparkettboden, aber die Eltern schienen nicht zu sehen, dass ihr Kind oral auslief. Ich habe dann leise gesagt: »Könntet ihr vielleicht ein bisschen aufpassen, dass nicht alles runtertropft?«
    »Du bist aber uncool.«
    »Mjaa, aber hier können jetzt schon Schnecken Ski fahren, das ist schwierig.«
    »Das geht mit Wasser wieder weg.«
    Ich dachte an mein Nussbaumparkett, nicht gewachst, sondern geölt. Dann meinte ich: »Könntet ihr wenigstens in meinem Wohnzimmer eine Schüssel drunterhalten? Ich habe da einen handgetufften Leinenteppich.«
    »Wirst du jetzt ganz spießig?«
    »Nein, aber ich denke, die Handtuffer in Indien wären schon traurig, wenn jemand einfach so auf ihre harte Arbeit sabbert.«
    Ich schmiedete einen Plan. Bei meinem nächsten Besuch wollte ich den Sabber-Eltern einfach auch auf den Boden schlotzen. Als ich dann bei ihnen war, ich hatte vorher extra noch vier Liter Apfelschorle getrunken, musste ich erkennen, dass mein Plan sinnlos war. Ich fand in der ganzen Wohnung nicht eine Stelle, die noch nicht vollgeschlotzt war.
    Es gibt noch etwas, was Kinderlose befremdlich finden und Eltern nicht bemerken. Eltern von Babys und Kleinkindern riechen im Lokal oder Wohnzimmer von Freunden plötzlich am Hintern der Kleinen, aber immer ganz »unauffällig«. Der Shit-Check. Wie riecht man unauffällig an einem Hintern? Die Eltern meinen, keiner sieht es, und signalisieren: »Ich schau nur mal schnell, was auf dem Knopf auf der Gesäßtasche der Hose steht.«
    Und dann sagen Eltern zu sich selbst Sätze wie: »Schatz, glaubst du, dass sie … riechst du was?« Die Fliegen fallen schon von den Wänden. Kakerlaken mit Rucksäcken verlassen fluchtartig den Raum. Alle riechen was. Nur Eltern nicht. In Caprona herrschen eben andere Geruchsgesetze.

[Menü]
    Im Land des Lächelns
    Frischgebackene Eltern kamen mir früher immer vor wie frischgebackene Nichtraucher. Die sind ähnlich hibbelig, überdreht freudig, mitteilungsbedürftig, immer gepaart mit angrenzender Realitätsstörung. Frische Eltern wollen immer ihre neue Daseinsform als das Nonplusultra verkaufen. Wie auf Knopfdruck ertönen aus ihren Mündern Sätze wie: »Alles ist so anders, ich bin so glücklich!«
    Aber du hast dabei immer das Gefühl, dass da irgendetwas nicht stimmt. Stell mal jungen Eltern die Gretchenfrage: »Habt ihr gestern Nacht geschlafen?«
    »Nein, aber es ist sooo schööön.«
    »Du siehst aber nicht danach aus.«
    Junge Eltern kontern so was Destruktives mit dem Universalargument der menschlichen Fortpflanzung. Sie stellen sich vor dich hin, die Augenringe reichen bis unterhalb der Brustnippel, die Stimme ist brüchig, ein Lufthauch Wahnsinn umweht die Szenerie, und dann setzen sie zum Glaubensbekenntnis aller Eltern an: »Es schreit zwar viel, aber wenn es dich dann einmal anlächelt, dann kriegst du alles wieder zurück!«
    Was kriegst du dann zurück? Alles Böse, was du je in deinem Leben getan hast? Das mit dem Lächeln ist wirklich zentral für Eltern. Sie erinnern sich ein ganzes Leben lang an das erste Lächeln ihres Kindes. Und anscheinend warten alle Eltern darauf. In den ersten Wochen haben Babys ja noch keine richtige Mimik oder Gesichtsmotorik. Das ist mehr so oktoberfestmäßig, zwei,drei Maß, und ab das Gesicht. In Bayern wird das »froaseln« genannt. Das kommt von »Fratzen ziehen«. Anfangs machen Babys nur Zufallsgrimassen, auch wenn es so aussieht, als ob es bewusst wäre, aber ab der achten Woche lernen sie die Anordnung ihrer Gesichtsmuskeln mit der ekstatischen Reaktion darauf zu verbinden. Vor einigen Jahren bekamen Freunde von mir ein Baby. Ich Outsider war bei ihnen zu Besuch zum Babygucken, und der Kleine war mittlerweile etwa sieben Wochen alt. Beide warteten schon seit einiger Zeit auf das »erste richtige Lächeln«. Es wirkte wie das Warten auf eine Offenbarung: »Wir werden die Schmerzen der Schlaflosigkeit ertragen, bis der Lächler Gottes uns erlösen wird. Aber : Nur das erste jungfräuliche Lächeln hat die Kraft zur Reinigung.«
    Es kam mir ein bisschen spooky vor. Nach ein paar Minuten gaben sie mir den Kleinen in die Hände und sagten: »Da, kannst auch schon mal üben, ha ha.«
    »Danke.«
    Da habe ich mir gedacht,
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