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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August
Autoren: Michael Winter
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sich in einer schier endlosen Auflistung von Ort und Art der genommenen Proben und gesicherten Spuren. In halbstündiger Lektüre destillierte Assauer heraus, dass Fingerabdrücke an Schlüssel und Türklinke aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit dieser Teile nicht vorhanden waren und dass die Spurenlage oben im Glockenboden wegen der zahlreichen Personen, die sich kürzlich dort oben aufgehalten hatten, und wegen Wind und Wetter nur mit einem Begriff treffend zu beschreiben war: chaotisch. Das einzig Geordnete darin, Annas Kleidung, hatte sich Bert besonders gründlich vorgenommen. Diese war allerdings vom Wind so mit Partikeln und Staub aus dem Turm durchsetzt, dass Rückschlüsse auf irgendein Geschehen nicht mehr zu ziehen waren. Sollten sich – was wahrscheinlich war – Hautpartikel und damit DNA-Spuren in der Kleidung finden, konnten sie von allen möglichen Personen stammen, die sich in den vergangenen Tagen im Turm aufgehalten hatten. Eine Auswertung jeder einzelnen Spur erscheine als unverhältnismäßiger Aufwand und sei aufgrund der Gesamtsituation nicht zielführend, resümierte Bert. Beider Fazit lautete: jede Menge Spuren, aber nichts Verwertbares. Gar nichts. Auch der Spurensicherungsbericht ließ keinen anderen Schluss zu als Selbstmord.
    Nur, Assauer blätterte zurück, ein Detail hatte ihn kurz stutzen lassen: An Knöpfen der Bluse sowie am Verschluss des vorne zu öffnenden BHs waren kleine schwarze Anhaftungen. Um was für eine Substanz es sich handelte, woher sie stammte und wann sie an Knöpfe und Verschluss gelangt war, blieb unklar. An Annas Fingern konnte jedenfalls nichts davon gewesen sein, wusste Assauer, sonst hätte die pedantische Erdmann das erwähnt. Hatte der intensive Regen das Zeug abgewaschen? Assauer nahm sich vor, die Substanz noch analysieren zu lassen. Er ließ den Spurenbericht sinken.
    Nichts, dachte er, absolut nichts, was auf ein Fremdverschulden hindeutet. Sie ist einfach da raufgegangen und runtergesprungen. Selbstmord, basta. Warum, werden wir nie erfahren.
    Er zuckte die Achseln, stand auf und legte die Blätter mit einer Geste zur Seite, die sein Kollege Hammer sofort als resigniertes ›Fall erledigt, ad acta‹ interpretiert hätte und ging in seine Küche, um Wasser für Kaffee aufzusetzen.
    Die Türglocke läutete. Katja, seine Nachbarin, mit einer großen Tüte vom Bäcker.
    Assauer hatte ihr, als sie an einem Sonntag vor ein paar Monaten einzog, geholfen, Möbel und Kartons zu schleppen, Lampen aufzuhängen und das von ihrem Auf und Ab versaute Treppenhaus zu putzen. Sie hatte ihn dafür zum Frühstück eingeladen – in seiner Wohnung, ihre gleiche noch einem Tohuwabohu, hatte sie sich entschuldigt – nur um gleich darauf festzustellen, dass seinem Junggesellenhaushalt ebenfalls eine ordnende Hand fehlte. In den kommenden Wochen verlieh sie folglich zwei Wohnungen ein Gesicht.
    Weil sie Gefallen aneinander fanden, wurde das gemeinsame Sonntagsfrühstück eine Institution. Nicht dass es zu einer Beziehung gereicht hätte, sie mochten einander einfach, genossen ihre Gespräche und waren froh, den Sonntag nicht allein beginnen zu müssen.
    Kurz nach neun tönte das SMS-Signal aus Assauers Handy in ihre Unterhaltung. Missmutig griff er sich das Gerät vom Sideboard. ›Treff im Büro, 10:00 Uhr. Gerstmann‹, stand auf dem Display.
    »Ich spring doch nicht, wenn du pfeifst«, murmelte Assauer und tippte: ›Kann nicht vor 11! Assauer‹, drückte auf ›Senden‹ und leitete den Dialog auf Verdacht auch an Hammer, Ernie und Bert weiter.
    Katja sah ihn mit großen Augen an. »Ärger?«, fragte sie.
    »Die Stellvertreterin vom Chef«, antwortete Assauer, »lästig wie ein Wimmerl 3 am Arsch und genauso überflüssig.«
    »Mit anderen Worten, du magst sie nicht, ist sie blond?«
    »Bis auf die Haare, die sind schwarz.«
    »Was gedenkst du zu tun?«
    »Nichts, ich halt’s mit dem chinesischen Sprichwort: ›Wer lang genug am Fluss sitzt, wird die Leiche seines Feindes vorbeitreiben sehen‹ und in Passau gibt’s drei Flüsse! In einen wird sie schon reinfallen.«
    Katja lachte ihr unbekümmertes, fröhliches Lachen, das er so an ihr mochte. »Aber wir frühstücken schon noch fertig, bevor du dich an den Fluss hockst«, meinte sie.
    »Zuerst muss ich in die Höhle des Löwen – oder vielmehr des Drachen, die ist nämlich in der Nibelungen-Straße. Der Fluss wird warten müssen«, flachste Assauer.
    »Dann brauchst du ja ein besonders kräftiges
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