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Ach so!

Ach so!

Titel: Ach so!
Autoren: Ranga Yogeshwar
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sich 1987 viele Menschen gegen die damalige Volkszählung wehrten. Auch das Vernetzen von Computerdaten in Betrieben löste anfänglich noch heftige Diskussionen aus. »Datenschutz« und »informationelle Selbstbestimmung« beschäftigten unzählige Beamte, und die Weiterleitung persönlicher Daten wurde fast als krimineller Akt empfunden: »Meine Daten gehören mir – Volkszählung – Nein danke!«
    Inzwischen hat sich vieles verändert: Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass Kameras unseren Weg zum Bahnhof säumen oder Sensoren regelmäßig unsere Autokennzeichen erfassen. Wie selbstverständlich zücken wir neben Kreditkarten auch Payback- und Bonuskarten und erlauben, dass man für ein paar Prozent Rabatt unsere Kaufgewohnheiten erfasst. Wir übersehen kleingedruckte Geschäftsbedingungen undwilligen per Mausklick ein, dass unsere elektronische Post nach Schlüsselwörtern durchsucht wird. Für den kostenlosen Account opfern wir das Briefgeheimnis. Das Internet durchlöchert die Privatsphäre, denn ahnungslose Nutzer offenbaren ihre intimsten Geheimnisse in Foren und Chat-rooms, ohne die geringste Kenntnis darüber, wer da noch alles mitliest. Der praktische Nutzen und die Faszination elektronischer Landkarten machen uns zu Voyeuren, die mit Zoomperspektive in versteckte Hinterhöfe blicken. Neue Bekanntschaften werden »gegoogelt«, binnen Sekunden durchforsten wir eine Vielzahl elektronischer Akten und lesen gierig in der Vergangenheit des anderen. Jugendsünden, Fotos in Ausnahmesituationen oder saftige Dialoge aus Foren wie SchülerVZ oder Facebook enttarnen das wahre »Ich« des Fremden.
    Eine befreundete Kollegin zeigte einer verblüfften Schulklasse Bilder und Texte der Schüler, welche sie zuvor im Internet recherchiert hatte. Bei dieser Lektion begriffen die Kids endlich, dass das Netz keine Geheimnisse für sich behält.
    Die moderne Technik ist zwar praktisch, doch wir bemerken nicht, welchen Preis wir dafür zahlen. Schleichend etabliert sich eine Kultur der Kontrolle und Transparenz. Jeder von uns wird dabei gleichermaßen zum Täter und zum Opfer: Wir bespitzeln und werden bespitzelt. Mal ist das Motiv ein kommerzielles, mal ist es Neugier. In vielen Staaten befügeln die neuen Hilfsmittel die Verantwortlichen zu einer nie dagewesenen Kontrollsucht, die die Basis unserer Demokratie angreift und langfristig zum Nährboden für Diktaturen werden könnte. Vielleicht kehrt sich dann der alte Spruch eines Tages um zu: »Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser ...«

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    Wie wild ist die Natur?
    94 Es verspricht ein aufregender Tag zu werden – auf Safari, mit dem Jeep durch den Urwald. Eine sehr bequeme Art, die Wildnis zu erkunden. Der Wildhüter hat uns von Elefanten und Tigern vorgeschwärmt. Noch gestern habe man eine Elefantenkuh mit ihrem Baby gesichtet. Der Nationalpark von Nagarhole zählt zu Indiens letzten Urwäldern, eine phänomenale Kulisse am Kabinifluss, ein letzter Rest unberührter Natur, wie aus der Welt des Dschungelbuchs.
    Bereits um fünf Uhr morgens soll es losgehen. Gerade die ersten Morgenstunden sind günstig, denn in der Trockenzeit kommen dann viele Wildtiere zum nahen Fluss ...
    Meine Kinder sind aufgeregt, doch wir sind nicht allein. Etwa ein Dutzend weiterer Touristen haben dieselbe Tour gebucht, und ihr Anblick verunsichert uns: Männer und Frauen in modischer Bekleidung, mit unpassendem Schuhwerk, Chipstüten und Limonadenflaschen. Andere wiederum tragen schwere Kameraausrüstungen mit sich und prahlen mit immensen Teleobjektiven. Kleine Kinder quengeln und werden mit rasselndem Spielzeug beruhigt. Die bunte Gruppe besteigt einen offenen Geländebus, und nach einer kurzen Ansprache des Guides fahren wir in Richtung Urwald.
    Die Straße wird schlechter, am Rand glänzen Mülltüten und Abfall. Nach einer halben Schüttelstunde erreichen wir die Einfahrt in den Park, wenige Minuten später bleibt der Bus stehen: »Oh ...!«
    Im Gebüsch entdecken wir eine Herde Rotwild. Kameras summen, die Stille der Natur wird mit allerlei Kommentaren zerstört. Die Herde äst weiter und nimmt kaum Notiz davon. Weiter geht’s. Erneut Rotwild, doch der Bus setzt seine Fahrt fort. Tüten knistern, Frauen plappern, ein Jugendlicher spielt mit seinem Handy. Vom feinen Zirpen der Insekten und den fernen Lockrufen exotischer Tiere bekommen wir nichts mit. Andere Safaribusse überholen uns, die Insassen winken – und auch dort Chipstüten und Kameras.
    An diesem Morgen fahren wir
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