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Ach so!

Ach so!

Titel: Ach so!
Autoren: Ranga Yogeshwar
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nicht immer den Vorzug zu geben.
    Vielleicht eine erste Einsicht? Der konsequente zweite Schritt wäre ein Kappen der elektronischen Nabelschnur, also das Einschalten der Mailbox mit der Nachricht: »Der Teilnehmer ist nicht erreichbar.« Und wer weiß, vielleicht heißt es irgendwann: »Der Teilnehmer hat sich derzeit für die Wirklichkeit entschieden!«

[Menü]
    Lässt sich unser Geschmackssinn täuschen?
    97 Es wird püriert, geschnitten und gerieben, dann leicht angebraten und am Ende noch mit einer Prise Himalaya-Salz veredelt. Großaufnahme, Applaus. Kochen ist in! Auf allen Fernsehkanälen präsentieren angebliche Meisterköche ihre Kunst, staunende Studiogäste schmecken anschließend die kleinen Probeportionen ab und sind entzückt von dem so anderen Geschmack. »Einzigartig, toll, fein, exquisit, und dann noch diese leicht säuerliche Note ...!«
    Küchenschlachten und Kochduelle haben den Bildschirm inzwischen erobert, und Heerscharen von Zuschauern suchen Entspannung bei den Darbietungen der Chefs. Kolumnen und Internet-Blogs behandeln auch die kleinsten Feinheiten der Casserole. Wer sich auf den Weg macht, hat noch viel zu lernen: von ein- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder von den so wichtigen Polyphenolen, die als Antioxydantien sehr gesund sind, halten sie doch unsere Blutgefäße elastisch. Die Zahl der Gourmetrestaurants ist mittlerweile explodiert, und in groß inszenierten Events beglücken die Götter in Weiß ihre gut zahlende Kundschaft. Wem der Genuss im edlen Res taurant nicht reicht, kann auch ein abenteuerliches Drei-Sterne-Picknick buchen, Helikopterflug inklusive. Hoch lebe der gute Geschmack!
    Neben den medialen Gaumenfreuden zeigt sich jedoch ein ganz anderer Trend: Fastfood, Imitate und Mikrowellenpampe. Billig muss es sein, und schnell muss es gehen, denn in derGeschäftigkeit des Alltags spielt das Essen – im Gegensatz zu den TV-Shows – oft eine Nebenrolle. Mit einem stattlichen Arsenal an Zusatz- und Geschmacksstoffen wird uns ein fertiges Menü verkauft, das im Nu zubereitet ist: Heißes Wasser drauf, umrühren und guten Appetit. Analogkäse ziert die Pizza, der flockige Milchreis ist in Wahrheit eine matschige Brühe, und die krossen Fleischstücke auf der Verpackung, die unseren Appetit so anregen, sind in der geöffneten Schale nicht mehr auffindbar. Erst nach genauem Studium der aufgedruckten Zutatenliste zeigt sich, womit da gerne nachgeholfen wird.
    Allein um die Verarbeitung zu erleichtern oder die Konsistenz und Haltbarkeit zu verbessern, benutzt man 319 (!) zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe. Die Hersteller greifen im Kampf mit den Verbraucherorganisationen auf absurde Formulierungstricks zurück: So musste ich lernen, dass in einem Pudding mit dem Aufdruck »Vanilla« nach den geltenden Buchstaben des Gesetzes kein Gramm Vanille enthalten sein muss. Dieses Dessert gibt ja nicht vor, ein Vanille-Pudding zu sein! Alles klar?
    Bunte Riesengarnelen erweisen sich plötzlich als reines Kunstprodukt aus gepresstem Fischmehl, und auch die oft beschworene »Piemontkirsche« gibt es in Wahrheit gar nicht, sie ist eine Blüte pfiffiger Marketingexperten.
    Die Palette an künstlichen Lebensmitteln, die inzwischen auf unseren Tellern landen, zeigt Wirkung: In einem Test baten wir Passanten darum, zwischen einem echten Fruchtjoghurt und einem Kunstjoghurt zu wählen. Auch Schinken und Schafskäse gab es bei unserem Experiment in beiden Versionen: Original und Imitat. Das Ergebnis war ernüchternd, denn der einen Hälfte der Tester schmeckte der künstliche Joghurt besser als das Original, und beim Schafskäse entschieden sich sogar zwei Drittel für das Imitat. UnserGaumen hat sich inzwischen an die Vielzahl der Geschmackstäuschungen gewöhnt, und häufig können wir noch nicht einmal mehr zwischen natürlich und künstlich unterscheiden. Ist diese Geschmacksverirrung womöglich in unserer Kultur verankert?
    Wir wiederholten das Experiment in Frankreich, der Heimat der Haute Cuisine, doch auch dort lässt sich der Geschmack gerne täuschen. Vielleicht liegt es ja an uns Laien – Experten schmecken anders, oder? Auch das haben wir überprüft: Ein begnadeter Chemiker mixte uns einen »Wein«, der eines garantiert nicht enthielt: Trauben. Mit diesem chemischen Aromacocktail stellten wir ausgewiesene Weinkenner auf die Probe, die prompt auf den Kunstdrink hereinfielen und sogar sein Bouquet und den reichen Abgang lobten.
    Ich könnte noch einiges über die »Nouvelle
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