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Ach so!

Ach so!

Titel: Ach so!
Autoren: Ranga Yogeshwar
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inzwischen einen großen Teil ihrer Zeit in die Arbeit an Online-Profilen, legen Alben an, um damit im Netz zu glänzen. Der Auftritt im Netz wird immer wichtiger, denn häufig findet eine Begegnung in der Realität gar nicht oder erst sehr spät statt. Und natürlich stammen auch die Vorbilder aus dieser virtuellen Welt.
    Die ständige Konfrontation mit solch künstlichen Bildern treibt sonderbare Blüten. Innerhalb weniger Jahre haben sich die Schönheitsideale unserer Gesellschaft gewandelt: Die Titelbilder der Magazine werden konsequent retuschiert und digital geglättet, und die strahlenden Schönheiten werden zu solch einem Grad nachbearbeitet, dass sie nur noch wenig Ähnlichkeit mit der lebenden Vorlage haben. Alles ist machbar!
    Aber nicht nur auf dem Papier wird aufgehübscht und gerade gebogen. Die ästhetische Medizin erhält immer mehr Zulauf: Anti-Aging, Fettabsaugen, Färben, Straffen und Richten. In den USA spricht man vom »bodyshaping«. Am Ende sollen wir dann so aussehen wie die Vertreter der Scheinwelt. Kinderzähne werden mit Zahnspangen gerichtet, obwohl es keine medizinische Notwendigkeit dafür gibt, pubertierende Mädchen tragen Push-ups, weil sie so aussehen wollen wie ihre Fernsehidole, und ihre Freunde schlucken zweifelhafte Pillen, damit der Muskelaufbau auch ohne hartes Training beeindruckt. Manager joggen bis zur Erschöpfung, und betuchte Damen zahlen viel Geld für fragwürdige Vitalisierungskuren, denn Werbespots suggerieren, dass nur der Fitte erfolgreich sein kann, und ignorieren Gebrechlichkeit und Schwäche.
    Selbst seriöse Nachrichtensendungen erliegen derkünstlichen Versuchung und verkennen, dass artifzielle Studiokulissen am Gefühl für Echtheit nagen. Der Fortschritt beglückt uns laufend mit neuen Möglichkeiten, und das technische Spiel ist voller Reize. Doch auf Dauer müssen wir in unsere Wirklichkeit zurückfinden. Fehler und Schwächen sind kein Makel, sondern ein Indiz für Menschlichkeit und ein untrüglicher Beleg unserer Einzigartigkeit.

[Menü]
    Warum lieben wir exotische Kulturen?
    92 Nomen est omen. Namen sind Vorboten, und ob wir es
     wollen oder nicht, allein unser Name erzeugt beim Gegenüber unwillkürliche
     Assoziationen. Manchen haftet gar ein Hauch von Magie an. Nicht ohne Grund verpassen
     Sekten ihren irrenden Seelen sogar neue Namen, so dass aus einer Babette Müller
     plötzlich eine erleuchtete Swami Devi wird.
    In den Ohren mancher Esoteriker ist mein indischer
     Nachname hierzulande eine strahlende Hoffnung, auf dass das Mystische und
     Geheimnisvolle siegen mag in unserer desillusionierten Welt der Aufklärung.
     Natürlich unterstellt man mir gerne, dass ich in asketischer Konzentration wahre
     Yoga-Wunder vollbringen kann und mit den geheimnisvollen Heilmethoden eines
     vergessenen alten Indiens vertraut bin. Der Name verpflichtet, doch ich bitte um
     Nachsicht. Ein Herr Müller ist wohl auch nicht zwingend Experte in Sachen
     Mehlproduktion!
    Vor kurzem begegnete ich meinem Namen auf der
     Seite eines deutschen Internetportals für Ayurvedaprodukte, und zwar in Form eines
     Gelenköls. 47 Ein »Yogeshwar-Öl« für
     die kalte Jahreszeit! Die Versprechungen des Herstellers sind voll mundig: »Für
     Menschen im reiferen Alter ist YOGESHWAR geradezu unabdingbar, um deren Gesundheit
     zu er halten [...] Schließlich verleiht YOGESHWAR dem Körper jugendliche Frische und
     Energie.«
    Ehrgeizige Jungmanager bleiben zwar bei ihrem Namen, doch in
     abendlichen Exerzitien üben sie sich in der Kunst von Kung-Fu, Wushu oder der
     Kampfkunst des Taijiquan, die, so betonen sie gerne, eine erfüllende Brücke zwischen
     Körper und Geist sei. Einsame Frauen wirken plötzlich interessanter, wenn sie sich
     nach Feierabend dem Qigong hingeben, nachdem sie auf dem Bürocomputer die
     Überweisungen des Vortags geprüft haben. Durch die Konzentration ihrer Gedanken und
     Regulierung ihres Atems hoffen sie Krankheiten zu heilen und physiologische
     Funktionen zu stärken.
    Scheinbar alte Traditionen werden gerne als Ausgleich für
     die hektische westliche Welt missbraucht. Immer wieder stoße ich auf Geschäfte, die
     alte indische Weisheiten anpreisen und wenn ich eintrete, erfahre ich im Klang
     heller Glöckchen von magischen Kristallen und heilenden Düften – alles angeblich
     Bräuche des Orients. Obwohl ich einige Jahre in Indien lebte, sind mir derartige
     Wunderrequisiten nie begegnet, doch wer weiß, vielleicht habe ich sie auf dem
    
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