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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando
Autoren: Charles Stross
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Maßstäben, mindestens
zwanzig, dreißig Jahre. Und in dieser Branche können Sie
die Regierungen vergessen, Bob; was sie nicht besteuern können,
ist für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Aber Sie müssen
wissen, dass auf dem Markt für sich selbst reproduzierende
Roboter bald eine neue Entwicklung eintreten wird. In absehbarer
Zukunft wird sie dafür sorgen, dass sich der Markt für
Billigprodukte alle fünfzehn Monate verdoppelt. Das wird, sagen
wir, in etwa zwei Jahren beginnen und ist Ihre Chance und mein
Grundpfeiler für das Projekt Dyson-Sphäre. Funktionieren
wird es folgendermaßen…«
     

     
    In Amsterdam ist es Nacht, in Silicon Valley Morgen. Heute werden
insgesamt fünfzigtausend menschliche Babys auf die Welt kommen.
Mittlerweile haben vollautomatische Fabriken in Indonesien und Mexiko
weitere zweihundertfünfzigtausend Motherboards samt Prozessoren
produziert, die eine Rechnergeschwindigkeit von mehr als zehn
Petaflops haben – eine Größenordnung, die unterhalb
der unteren Grenze der Rechenkapazität menschlicher Gehirne
liegt. Noch vierzehn Monate, und ein Großteil der bewussten
Verarbeitungsfähigkeit der menschlichen Spezies in summa wird im Silizium angekommen sein. Und die ersten Körper, die
die neuen K.I.s kennen lernen werden, sind die der heraufgeladenen
Hummer.
    Vom Jetlag gebeutelt und erschöpft bis in die Knochen,
stolpert Manfred zum Hotel zurück. Seine Brille spielt immer
noch verrückt, wird immer noch von Geeks in Beschlag genommen,
die auf seinen Aufruf, den Mond auseinander zu nehmen, angesprungen
sind. Stoßweise tauchen lautlose Vorschläge am Rande
seines Sichtfelds auf. Fraktale Wolkenhexen geistern über das
Antlitz des Mondes, als die letzten gigantischen Airbusse dieser
Nacht über seinen Kopf donnern. Manfreds Haut juckt. Da er schon
drei Tage nicht aus den Klamotten gekommen ist, hat sich dort Schmutz
eingelagert.
    Als er wieder auf seinem Zimmer ist, miaut Aineko, weil sie
beachtet werden will, und reibt ihren Kopf an seinem Knöchel.
Sie ist ein neues Modell von Sony, das man beliebig aufrüsten
kann. In freien Minuten hat Manfred an ihr gearbeitet und
Aufrüstungstools der open source dazu benutzt, ihre
neuronalen Netzwerke zu erweitern. Er beugt sich nieder, um sie zu
streicheln, schält sich aus den Klamotten und macht sich auf den
Weg ins Bad seiner Suite. Als er nur noch die Brille trägt,
tritt er in die Dusche und stellt den Wasserstrahl so heiß ein,
dass es dampft. Die Dusche versucht, mit ihm ein freundschaftliches
Gespräch über Fußball anzufangen, aber er ist so
müde, dass es ihm sogar zu viel ist, sich mit ihrem blöden
kleinen assoziativen Personalisierungsnetzwerk herumzuärgern.
Irgendetwas, das früher an diesem Tag passiert ist, macht ihm zu
schaffen, aber er kann den Finger nicht auf die Wunde legen.
    Während er sich mit dem Handtuch trocken rubbelt, gähnt
er. Er fühlt sich so, als hätte ihn ein samtener Hammer
mitten zwischen die Augen getroffen: Der Jetlag hat ihn
schließlich doch noch eingeholt. Er greift nach der
Pillenflasche neben dem Bett, schluckt zwei Melatonin-Tabletten, eine
Kapsel mit Anti-Oxidationsmitteln und einen Multivitamin-Hammer
trocken hinunter. Danach legt er sich rücklings mit
geschlossenen Beinen und leicht gespreizten Armen aufs Bett,
während die Suite das Licht dimmt. Sie reagiert auf die Befehle
tausender Petaflops, welche die neuronalen Netzwerke mit Daten
speisen. Seine Brille sorgt für die Schnittstelle zwischen
Netzwerken und fleischlichem Gehirn.
    Durch das tiefe Meer des Unbewussten, in das Manfred sich jetzt
fallen lässt, dringt leises Stimmgemurmel. Er spricht im Schlaf,
ohne sich dessen bewusst zu sein. Es ist ein unzusammenhängendes
Gemurmel, das einem anderen Menschen wenig sagen würde, doch
für den Metacortex, die junge posthumane Intelligenz, die hinter
Manfreds Brille auf Lauer liegt, ist dieses Gemurmel alles, was
zählt. Manfred ist der Intendant ihres Cartesianischen Theaters,
deshalb füttert sie ihn, während er schlummert, eifrig mit
Informationen.
     

     
    Kurz nach dem Aufwachen ist Manfred stets am verwundbarsten.
    Als künstliches Licht das Zimmer durchflutet, wird er mit
einem Schrei wach. Einen Moment lang ist er sich nicht sicher, ob er
überhaupt geschlafen hat. Da er vergessen hat, sich nachts
zuzudecken, kommen ihm seine Füße wie Eisklumpen vor. Als
er frische Unterwäsche aus seiner Reisetasche holt und danach
dreckige Jeans und ein Tanktop anzieht, zittert er vor
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