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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando
Autoren: Charles Stross
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Slashdotting. Macht
es Ihnen was aus, wenn ich hier einfach sitzen bleibe und etwas
trinke, bis sich die Aufregung legt?«
    »Ist schon in Ordnung, Mann.« Bob gibt dem Barkeeper ein
Zeichen. »Noch mal dasselbe für die ganze Runde!«
    Am Nachbartisch lässt sich eine Person mit Make-up und langen
Haaren, die ein Kleid trägt – Martin will über das
Geschlecht dieser verrückten, verwirrten Euros gar nicht erst
spekulieren –, darüber aus, wie man die Fleischtöpfe
Teherans ins Netz bringen und für den Cybersex nutzen
könnte. Zwei aufgebretzelte Typen, die wie Akademiker wirken,
führen auf Deutsch eine erregte Debatte. Die
Simultanübersetzung, die Manfreds Brille vornimmt, verrät
ihm, dass sie darüber diskutieren, ob der Turing-Test, der dazu
beitragen soll, Mensch und K.I. auseinander zu halten, ein
diskriminierendes Gesetz ist, das die europäischen Standards
für Menschenrechte verletzt.
    Als das Bier serviert wird, reicht Bob das falsche an Manfred
weiter. »Hier, versuchen Sie das mal. Wird Ihnen
schmecken.«
    »Okay.« Es ist eine Art rauchiges Doppelbock, bis
zum Bersten angereichert mit schmackhaften Peroxiden. Schon beim
Inhalieren hat Manfred das Gefühl, als ginge in seiner Nase ein
Feueralarm los: Gefahr, Will Robinson! Krebsgefahr! Krebsgefahr! »Ja, stimmt. – Hab ich schon erzählt, dass ich auf
dem Weg hierher fast überfallen worden bin?«
    »Überfallen? He, das ist ja ein Ding. Ich dachte, die
Polizei hier hätte das Problem beseitigt. Wollten die Ihnen
irgendwas verkaufen?«
    »Nein, aber es waren auch nicht die üblichen
Händler. Kennen Sie irgendjemanden, der einen Spionageroboter
aus Armeebeständen des Warschauer Pakts gebrauchen kann? Relativ
neues Modell, hatte bislang nur einen Besitzer, der ihn
sorgfältig behandelt hat, ist leicht paranoid, aber im Grunde
ohne Mängel. Will damit sagen, er behauptet, eine K.I. für
allgemeine Zwecke zu sein.«
    »Du meine Güte, nein! Das wird unserer Nationalen
Sicherheitsbehörde aber gar nicht gefallen.«
    »Dachte ich mir schon. Das arme Ding ist wahrscheinlich
sowieso nicht mehr verwendbar.«
    »Zurück zur Raumfahrtindustrie.«
    »Ah ja, die Raumfahrtindustrie. Deprimierend, nicht wahr? Ist
nicht mehr das, was sie mal gewesen ist, seit die Rotary-Rakete zum
zweiten Mal hops gegangen ist. Und die NASA, die darf man auch nicht
vergessen.«
    »Auf die NASA.« Annette hat ihre eigenen Gründe
dafür, breit zu grinsen, als sie ihr Glas zum Trinkspruch hebt.
Ivan, der Typ mit den außergewöhnlichen Betonarbeiten, hat
ihr einen Arm um die Schultern gelegt, und sie lehnt sich gegen ihn.
Auch er hebt sein Glas. »Gibt noch viele Abschussrampen, die man
mit Gummi überziehen muss!«
    »Auf die NASA«, stimmt Bob ein und trinkt mit den
anderen. »He, Manfred, trinken Sie nicht auf die NASA?«
    »Das sind doch Idioten. Die wollen eingeweckte Primaten auf
den Mars schicken!« Manfred nimmt einen Schluck Bier und stellt
sein Glas so ungestüm auf dem Tisch ab, dass es scheppert.
»Mars ist nur unintelligente Masse auf dem Grunde eines
Gravitationstrichters, es gibt dort nicht einmal eine Biosphäre.
Stattdessen sollten die lieber an dem Problem arbeiten, wie man
Nano-Gruppen so standardisiert, dass man sie heraufladen kann. Dann
könnten wir die ganze verfügbare unintelligente Materie in Computronium verwandeln – in Materie, die mit Hilfe der
molekularen Nanotechnologie Rechner unterstützt –, und sie
dazu benutzen, unsere Gedanken in Datenverarbeitungsprogramme
einzuspeisen. Auf lange Sicht ist das der einzige gangbare Weg. Das
Sonnensystem ist derzeit doch nur tote Hose – nirgendwo
Intelligenz! Man muss bloß den MIPS, den materiellen Input pro
Serviceeinheit, pro Milligramm, messen. Wenn das Sonnensystem nicht
denkt, arbeitet es auch nicht. Wir müssen mit den
Himmelskörpern niedriger Masse anfangen und sie für unsere
eigenen Zwecke rekonfigurieren. Den Mond auseinander nehmen! Den Mars
auseinander nehmen! Massen von frei schwebenden Nano-Prozessoren und
-Verbindungen aufbauen, die Daten via Laserlink austauchen. Wobei
jede Schicht die Abwärme der nächsten nutzt. Wir
müssen Matroschka-Gehirne schaffen, Dyson-Sphären in der
Größe von Sonnensystemen, die Puppe in der Puppe.
Müssen die dumpfe Materie den Turing-Boogie lehren, sie zum
Tanzen bringen!«
    Annette beobachtet ihn interessiert, während Bob misstrauisch
wirkt. »Klingt mir wie ein recht langfristiges Projekt. Wie weit
denken Sie denn voraus?«
    »In sehr großen
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