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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando
Autoren: Charles Stross
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verbesserte
»Mausefalle«, sondern die Möglichkeit, im
übertragenen Sinne jedes »Mittel zum Fangen von
Nagetieren« patentieren zu lassen. Etwa ein Drittel seiner
Erfindungen ist legal, ein Drittel illegal und der Rest zwar legal,
aber nur noch so lange, bis der Legislatosaurus aufwacht, den Braten
riecht und in Panik gerät.
    In Reno gibt es Patentanwälte, die schwören, Manfred
Macx sei ein Pseudonym – ein Deckname im Netz, der für eine
ganze Reihe von verrückten anonymen Hackern stehe,
ausgerüstet mit dem Genetischen Algorithmus, der sich
Kalkutta einverleibt hat, eine Art Serdar Argic des
geistigen Eigentums, vielleicht auch ein weiterer Mathe-Cyborg
à la Bourbaki.
    Es gibt Rechtsanwälte in San Diego und Redmond, die blind
darauf schwören, dass Macx ein Wirtschaftssaboteur ist, darauf
aus, die Grundmauern des Kapitalismus zu erschüttern. Und es
gibt Kommunisten in Prag, die glauben, er sei ein illegitimer
Sprössling von Bill Gates, der sich mit dem Papst gepaart
habe.
    In seiner Branche ist Manfred Spitze, und das bedeutet vor allem,
dass er heikle, aber durchführbare Ideen entwickelt und sie
Menschen überlässt, die damit später ein Vermögen
machen. Dafür nimmt er kein Honorar, er tut es gratis. Die
Gegenleistung besteht darin, dass er von der Tyrannei des Geldes im
wahrsten Sinne des Wortes befreit ist; schließlich ist Geld ein
Zeichen von Armut, und Manfred muss niemals für etwas
bezahlen.
    Allerdings gibt es auch Nachteile. Als jemand, der mit Memen
handelt und sich darauf verlässt, dass sich die Welt verschworen
hat, ihm nur Gutes zu tun, ist er fortwährend dem aufreizenden
Zukunftsschock ausgesetzt. Nur, um auf dem Laufenden zu bleiben, muss
er sich täglich mehr als ein Megabyte Text und zahlreiche
audiovisuelle Programme reinziehen. Die amerikanischen
Finanzbehörden sind ihm ständig auf den Fersen, weil sie
ihm nicht abnehmen, dass er einen solchen Lebensstil ohne
Schiebereien aufrechterhalten kann. Außerdem gibt es Dinge, die
man mit Geld nicht kaufen kann: zum Beispiel den Respekt der Eltern.
Seit drei Jahren hat er nicht mehr mit ihnen gesprochen. Sein Vater
hält ihn für einen Hippy und Schnorrer, und seine Mutter
hat ihm noch immer nicht verziehen, dass er aus dem miesen
Konkurrenzkampf in Harvard ausgestiegen ist. (Sie hängen immer
noch der langweiligen bourgeoisen Denkweise des Zwanzigsten
Jahrhunderts an, nach der Kinder eine Universitätskarriere
machen sollten). Seine Verlobte und zeitweilige Domina Pamela hat ihm
vor sechs Monaten den Laufpass gegeben, ohne dass ihm die Gründe
richtig klar geworden sind. (Ironie des Schicksals: Sie arbeitet als
Kopfjägerin für die amerikanischen Steuerbehörden und
fliegt auf öffentliche Kosten durch die ganze Welt. Sie versucht
nämlich, Unternehmer, die auf dem Weltmarkt operieren, dazu zu
überreden, zum Wohle des Finanzministeriums Steuern zu zahlen.)
Um all dem die Krone aufzusetzen, haben die Südstaaten-Synoden
der Baptisten ihn auf all ihren Websites als Gehilfen des Teufels
angeprangert. Was ja eigentlich ganz lustig sein könnte, weil
Manfred als wiedergeborener Atheist gar nicht an den Teufel glaubt,
wären da nicht die toten Kätzchen, die irgendjemand ihm
ständig schickt.
     

     
    Manfred schaut kurz in seiner Hotelsuite vorbei, packt seine
Aineko aus, lädt sie mit neuen Zellen auf und verstaut die
meisten seiner persönlichen Schlüssel im Safe. Danach macht
er sich sofort auf den Weg zur Party, die derzeit im De Wildemanns läuft. Es ist ein Spaziergang von zwanzig Minuten. Die
einzige wirkliche Gefahr, die ihm droht, besteht in den
Straßenbahnen, denen er ständig ausweichen muss. Sie
schleichen sich von hinten an ihn an, und weil er das mobile Display
mit der Wegbeschreibung mustert, bemerkt er es kaum.
    Während des Spaziergangs hält seine Brille ihn mit den
neuesten Nachrichten auf dem Laufenden. Europa hat zum ersten Mal
überhaupt eine friedliche politische Vereinigung erreicht und
nutzt diese beispiellose Situation dazu, die Krümmung von
Bananen zu standardisieren. Die Lage im Mittleren Osten ist, na ja,
genauso schlimm wie immer. Allerdings interessiert sich Manfred nicht
sonderlich für den Krieg gegen den Fundamentalismus. In San
Diego laden Forscher Hummer in den Cyberspace hinauf, beginnend mit
den Nervenknoten der Magenschleimhaut, ein Neuron nach dem anderen.
In Belize verbrennen sie genmodifizierten Kakao und in Georgien
Bücher. Die NASA kann immer noch keinen Mann auf den Mond
verfrachten.
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