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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande
Autoren: David Anthony Durham
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Familie. Mein Blut.«
    Sie dachte kurz an Hanish, aber nicht so, wie sie es eigentlich wollte. Sie schob den Gedanken beiseite, legte Ruhe in ihre Stimme und fuhr fort: »Du bist nicht von meinem Blut. Deshalb ist es mir egal, was in deinem Herzen ist. Mir ist wichtig, was aus deinem Mund kommt, und ich denke nur daran, wie es mir helfen kann, die Bekannte Welt zu beschützen. Du, Barad, wirst einer meiner zuverlässigsten Verbündeten sein.«
    »Niemals.«
    Corinn warf sich auf ihn. So groß und schlaksig er auch war, sie krachte gegen ihn und packte seinen Kopf. »Dein Verstand gehört mir!« Einen Moment lang wehrte sich der Mann gegen sie. Er ballte eine gewaltige Faust, holte aus und wollte zuschlagen, doch sie drückte ihre Daumen auf seine Steinaugen, und er erstarrte mitten in der Bewegung. Sein Körper wurde schlaff, als hielte sie seine Mitte und er könnte nichts dagegen tun.
    »Dein Verstand gehört mir«, wiederholte Corinn. »Hör zu und verweigere dich nicht.«
    Am frühen Abend dieses Tages ging Corinn zu den Gärten in jenem Teil des Palasts, in dem sich Menas Gemächer befanden. Zwar spürte sie die Müdigkeit, die von dem Lied herrührte, das sie für Barad gesungen hatte, doch sie wusste, dass sie noch Kräfte in sich hatte. Und bevor sie sich ausruhen konnte, musste sie noch zwei Dinge tun. Heute Nacht. Sie war fest entschlossen und sich ihrer selbst absolut sicher, und sie hatte vor, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
    Sie ging vorsichtig, schaute immer wieder zum dunkler werdenden Himmel hinauf. Elya war weit weg, sie flog hinter Mena her, und obwohl Corinn viele Wachen damit beauftragt hatte, den Himmel zu beobachten und eine Warnung zu pfeifen, wenn die Vogelechse zurückkehrte, beeilte Corinn sich dennoch. Sie suchte sich einen Weg zwischen den Tischen und Bänken und Stühlen hindurch, mit denen Menas Balkon geradezu absurd vollgestellt zu sein schien.
    Delivegu hatte ihr nicht genau gesagt, wo die Eier sein könnten. Im Garten, ja, aber der war nicht gerade klein. Es könnte Stunden dauern, bis sie sie fand, vorausgesetzt, dass es diese Eier tatsächlich gab, und dessen konnte sie sich nicht ganz sicher sein. Die Nacht war sternenklar, und der Mond warf genug Licht auf die Steine, Pflanzen und Möbel. Sie hatte Menas Bedienstete weggeschickt, aber trotzdem verspürte sie ein prickelndes Gefühl der Dringlichkeit …
    Und da waren sie. Corinn wurde klar, dass sie etwas Großartigeres erwartet hatte als das, was sie jetzt fand, doch das kam ihr plötzlich albern vor. Das dort war kein stinkendes, übles Nest wie in Menas Geschichten über Maeben. Es war nicht kunstvoll erbaut worden. Es roch nicht nach Tod, war aber auch nicht vergoldet. Vier Eier ruhten auf einem Stück Stoff. Sie waren merkwürdig geformt, länglich und ziemlich flach, cremeweiß mit farbigen Wirbeln. Sie fühlten sich warm an und ließen eine ganz bestimmte Freude durch sie hindurchströmen, direkt durch ihre Fingerspitzen, ein Willkommen.
    Corinn schaute sich um. Sie verharrte mehrere Herzschläge lang ganz still, war überzeugt, dass sie es hören und spüren würde, falls irgendjemand sie beobachtete. Doch niemand sah ihr zu. Sie griff mit beiden Händen in das Becken, packte den Stoff und zog alles wie einen Beutel heraus, so dass die Eier geschützt im Innern lagen. Dann setzte sie sich auf eine ein paar Schritte entfernte Steinbank und drückte das Bündel an die Brust. Sie konnte spüren, wie das Leben in den Eiern pulsierte. Wunderbar, mächtig, wild: So würden sie sein.
    Sie flüsterte die Töne des Liedes, das sich in ihrem Kopf aufgebaut hatte. Sie würde zu diesen Kindern singen. Würde in der Gottessprache zu ihnen singen, damit sie nach ihren Bedürfnissen geformt auf diese Welt kommen würden. Elya konnte sie nicht besitzen, aber sie würde ihre Kinder ihr Eigen nennen. Ja, sie waren bereits allerliebst. Voller Güte, doch es war nicht Güte, was sie in den künftigen Tagen brauchen würde. Nein, sie würde Waffen brauchen, Waffen, wie sie die Bekannte Welt noch niemals gesehen hatte. Diese Kleinen würden keine furchtsamen gefiederten Beschützer sein. Sie würden ihre Krieger sein. All das sang sie in sie hinein, und sie wusste, dass sie sie hörten und dass ihnen gefiel, was sie ihnen erzählte. Sie veränderten ihre Lage in den Eiern, drückten gegen die Schalen, bereits eifrig bestrebt zu schlüpfen.
    Und dann noch ein Letztes. Ihre letzte Tat für diese Nacht. Es war spät, und sie war in ihren
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