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Abschied Von Freistatt

Titel: Abschied Von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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an meinen Anordnungen?«
    Der Maler zog die Brauen zusammen. Er hatte nach den Beschreibungen des Geschichtenerzählers skizziert, ohne zu überlegen, und alles klar vor sich gesehen, während Hakiem redete, als strömten die Bilder direkt aus der Erinnerung des alten Mannes durch seine Finger auf das Papier. Diese Szenen hatten das Gefühl vermittelt, daß sie richtig waren. Was Fackelhalter ihm nun erzählte, erschien ihm falsch. Und das geschah nicht zum erstenmal.
    Das Bild von Kadakithis' erstem Einzug in die Stadt zeigte die aufgehende Sonne, die ihn golden umstrahlte. Aber der Prinz war durch das Nordtor gekommen. Wie fast alle anderen Bewohner Freistatts war Lalo dort gewesen, um dem Ereignis beizuwohnen. Er hatte das Bild verändert, aber es ging ihm gegen den Strich. Das war auch jetzt der Fall. Nun wunderte er sich über die Embleme, mit denen er auf Geheiß die Paradeschilde der prinzlichen Garde verziert hatte. Damals hatte er die Details für unwichtig gehalten, aber was war, wenn doch mehr dahintersteckte? Trotz der Sonne fröstelte er ein wenig. Darios' Warnungen fingen an, einen Sinn zu ergeben.
    »Wenn ich das Muster durch ein anderes ersetzen soll, muß ich wissen, was es bedeutet.«
    »Was es bedeutet?« Fackelhalter starrte ihn an. »Warum sollte es eine besondere Bedeutung haben?«
    »In dem Fall wäre es passender, ihr Gewand mit einem Muster aus Adlern mit ausgestreckten Flügeln zu verzieren. In Gold, denn sie ist von adliger Herkunft.«
    Der Blick des Priesters wurde scharf. »Maler, was erlaubt Ihr Euch? Ihr seid nur ein Werkzeug in meinen Händen, und Ihr werdet tun, was ich Euch auftrage!«
    »Nein.« Lalo hielt ihm den Pinsel entgegen, dann legte er ihn nieder. »Dies ist ein Werkzeug. Ihm bleibt keine Wahl, als meiner Hand zu folgen. Aber obwohl Ihr mich entlassen und einen anderen Maler einstellen könnt, liegt es nicht in Eurer Macht, mich zu zwingen, für Euch zu arbeiten. Und es gibt in Freistatt keinen anderen Maler, der das vollbringen kann, wofür Ihr mich tatsächlich angeheuert habt, nicht wahr, Fackelhalter? Es gibt auch keinen anderen im Reich, vielleicht auf der ganzen Welt.«
    Die Stille zwischen den beiden wuchs. Hinter dem Bretterzaun hörte Lalo einen Bettler, der zwei Soldaten, die ihn von seinem
    Platz vertrieben, Dämonen in ihre Träume wünschte, er hörte den klagenden Gesang eines Wasserverkäufers, einen Schrei in der Ferne - all die normalen Geräusche eines Sommertages in Freistatt. Schließlich verzog der Priester das Gesicht und wandte den Blick ab.
    »Streitet Euch nicht mit mir, Maler«, sagte er. »Mischt Euch nicht in Dinge ein, die Ihr nicht versteht.«
    Lalo ging die Uferpromenade entlang nach Hause, als die untergehende Sonne Schatten in die Straßen warf und ein Wind vom Meer die Luft wohltuend kühlte. Er hatte sich schließlich durchgerungen, das Gewand so zu malen, wie Fackelhalter es haben wollte - fürs erste. Dem Maler war eingefallen, daß Gilla eine Freundin Glisselrands war, und die Primadonna aus Feltheryns Theatertruppe schien sich gut zu stehen mit den Leuten in Landende. Wenn er wissen wollte, was Daphne an jenem Tage wirklich getragen hatte, konnte er fragen. Aber der Priester hatte recht. Selbst Darios mußte zustimmen, daß es sinnlos war, sich für etwas einzusetzen, das man nicht verstand.
    Er fühlte sich erschöpft. Er fragte sich, wie wohl Darios' Tag verlaufen sein mochte - und verzog die Lippen, als er sich seinen Lehrling vorstellte, der versuchte, im Aphrodisiahaus seine Würde zu bewahren. Er beschloß, keine Miene zu verziehen, wenn er ihn heute abend nach dem Verlauf des Exorzismus befragte.
    »Lalo.« Der krächzende Ruf kam von dicht hinter ihm.
    Lalo blieb abrupt stehen, wirbelte herum, und die Hand fuhr zum Griff des Dolches, als jemand gegen ihn stolperte.
    »Cappen Varra!« Lalo machte große Augen. »In Shalpas Namen, wo kommst du her? Es ist Jahre her!«
    »Du hast mich erkannt!« Der Sänger richtete sich auf und schob die Kapuze des sehr zerschlissenen Umhangs zurück, der ein paar abgetragene Hosen und ein nicht minder verschlissenes Hemd bedeckte.
    »Natürlich.«, begann der Maler, dann schoß ihm das Blut in die Wangen, als ihm einfiel, welcher Sehkraft er sich bedient hatte, denn diese Aufmachung war ein undenkbarer Aufzug für den gepflegten Musikanten, den er gekannt hatte. Lediglich der verbeulte Harfenkasten war der gleiche. »Hier ist kein guter Ort zum Reden. Du siehst durstig aus, Mann, und da ist das
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