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Abschied nehmen

Abschied nehmen

Titel: Abschied nehmen
Autoren: Sam Miskull
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amüsierten Blick und lehnten sich zurück. Sie hatten die Geschichte, wie George seine Frau kennengelernt hatte, sicher schon hundert Mal gehört.   Er erzählte sie immer, wenn genügend Whisky geflossen war. Und doch wäre ihnen im Traum nicht eingefallen, ihn zu unterbrechen. Das Strahlen in seinen Augen, wenn er von seiner Frau sprach, war dafür einfach zu rührend und so schwiegen sie und lauschten mit einem Lächeln Georges Worten.
         Vielleicht wäre es nun das letzte Mal, dass er die Geschichte hörte, kam William plötzlich in den Sinn und bei dem Gedanken versuchte er, sich jedes Wort und jede Silbe noch genauer einzuprägen. Doch der Tag war lang gewesen und langsam bemächtigte sich seiner eine Müdigkeit, gegen die er, so sehr er sich bemühte, nicht ankam. Er zwang sich zwar zu einer aufrechten Haltung und riss seine Augen immer weiter auf, wenn sie wieder drohten, ihm zuzufallen, doch schließlich rutschte er doch tiefer in die weichen Polster und sein Kinn landete auf seiner sich gleichmäßig hebenden und senkenden Brust.  
         Erst nachdem sein Vater seine Geschichte beendet hatte, bemerkten die beiden Männer, dass William eingeschlafen war. Sie wandten sich gleichzeitig zu ihm um und bei dem Anblick wie er und Amy eng aneinander gekuschelt und tief träumend auf dem Sofa saßen, erschien ein breites Grinsen auf ihren Gesichtern. Anschließend beugte Jamie sich vor, um William das Glas, das jeden Augenblick drohte, aus seiner Hand zu rutschen, abzunehmen. Er wollte nicht, dass die Schlafenden dadurch unsanft geweckt würden, doch so viel Vorsicht er dabei auch walten ließ, schreckte William trotzdem aus dem Schlaf.
         „Oh, es tut mir leid, ich bin wohl eingeschlafen aber es war ein anstrengender Tag“, entschuldigte er sich, nachdem er zu sich gekommen war.  
         „Das ist in Ordnung, mein Junge. Geh und leg dich schlafen. Ich bringe deine Schwester ins Bett“, beruhigte George ihn, und als William einen Blick auf Amy warf, musste er schmunzeln.
         „Nein, bleibt ihr noch und trinkt aus, ich bringe sie schon nach oben“, flüsterte er, nahm seine Schwester auf den Arm und ging mit ihr hinaus. Am Ausgang des Salons blieb er noch einmal stehen und wandte sich an Jamie.
         „Sehen wir uns morgen, mein Freund?“
         „Ich komme gern“, entgegnete Jamie und William ließ die beiden Männer allein zurück.
        
         So sehr er sich auch bemühte, gelang es William nicht, Amy ins Bett zu bringen, ohne sie aufzuwecken. Im Halbschlaf ließ sie sich ihr neues Lieblingskleid ausziehen und ihr Nachthemd, welches sorgfältig gefaltet unter ihrem Kissen gelegen hatte, anziehen. Doch kaum hatte William das Mädchen sanft auf das Kissen gelegt und mit ihrer Decke zugedeckt, da war sie schon wieder eingeschlafen.
         „Schlaf süß, meine Kleine.“ Er strich ihr noch über die blonden Locken, und nachdem er ihr einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte, stand er auf und ging leise hinaus.
         Er war gerade im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als er noch einmal ihre schläfrige Stimme hinter sich vernahm. Er hielt inne, kehrte zu ihr zurück und nahm neben ihr Platz.
         „Was ist denn, meine Kleine?“, flüsterte er.
         „Ich bin sehr froh, dass du wieder da bist und dass du nicht mehr weggehen wirst.“ Sie legte bereits zum zweiten Mal an diesem Tag die Arme um den Hals ihres Bruders und William war froh sein bekümmertes Gesicht, hinter ihrem Rücken verbergen zu können.
         Er strich noch einmal sanft über ihr Haar, und als er sie gähnen hörte, legte er sie wieder zurück in die Kissen.
         „Schlaf jetzt, Amy. Wir sehen uns morgen.“
         „Ja, gut, bis morgen.“ Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, war sie auch schon wieder eingeschlafen und William ließ sie allein.
     
         Die Sonne war gerade aufgegangen, als William erwachte. Nachdem er am Vorabend innerhalb von Sekunden eingeschlafen war, sobald er in dem weichen Bett gelegen hatte und nach all den Strapazen der letzten Tage, hatte er eigentlich erwartet, bis zum Mittag zu schlafen. Doch nun war es noch so früh und er war hellwach. Er beschloss, noch etwas liegen zu bleiben. Wer weiß, ob demnächst mein Bett nicht der steinerne Fußboden eines Gefängnisses sein wird, dachte er bei sich und lachte auf angesichts seines Galgenhumors.
         Das war vielleicht die richtige Art und Weise mit seiner Situation
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