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Abschied nehmen

Abschied nehmen

Titel: Abschied nehmen
Autoren: Sam Miskull
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was das bedeuten könnte, stieg Panik in ihm auf. Er hatte eben schon seinen Freund verloren, seine Tochter oder sein Enkelkind oder gar beide auch noch zu verlieren, würde er nicht ertragen!
         So zögerte er nicht, löste sich aus seiner Erstarrung und schob beide Hände unter Kates schlaffen Körper. Dann richtete er sich auf und gefolgt von den meisten seiner Männer, bahnte er sich so schnell es ging einen Weg durch die Menge. Nur Robert und Alec waren auf seine stumme Bitte hin da geblieben, um gemeinsam mit Jamie beim Henker Williams Leiche auszulösen. Koste es, was es wolle, hatte Marcus vor ein paar Tagen zu Robert gesagt, er würde William auf keinen Fall hier zurücklassen. Er würde auf dem Familienfriedhof der Maccallums begraben werden, etwas anderes kam schlicht nicht infrage. Robert war der gleichen Meinung gewesen und auch darüber, dass William gleich nach der Hinrichtung fortgebracht werden müsse, waren sie sich einig gewesen. Sie kannten die grausamen Späße, die die später sicher angetrunkene Menge mit Gehenkten trieb und das würden sie keinesfalls zulassen. So machten die drei Männer sich umgehend auf, um den Körper ihres toten Freundes so schnell wie möglich, an sich zu bringen.
         Derweil nutzte Marcus jede Lücke aus, die er dank seiner enormen Körpergröße schnell entdeckte und so ließen sie den Marktplatz bald hinter sich und eilten durch Edinburghs Gassen, um zu ihrem Gasthof zu gelangen. Marcus musste vorsichtig sein, um mit seiner Tochter auf den Armen nicht auszurutschen, denn der Schnee hatte das Kopfsteinpflaster glatt gemacht. Doch schließlich gelangten sie an ihr Ziel und er legte sie unversehrt in das große Bett.  
         Kaum hatte er seine Hände unter ihr weggezogen, öffnete Kate die Augen. Ihr Blick war klar, schweifte jedoch fragend durch den Raum. Wo war sie hier, wo hat man sie hingebracht und was war überhaupt geschehen, fragte sie sich. Und noch während sie das tat, stürzte die Erinnerung auf sie ein und alles spielte sich vor ihrem inneren Auge erneut ab.
         Das dumpfe Geräusch der aufspringenden Falltür. Der furchtbare Schmerz, der bis eben noch verborgen gewesen war. Dann der Blick zu William. Sein Hemd klebt blutig an seinem Rücken, seine Augen sind geschlossen, seine Handgelenke bis auf die Knochen aufgeschürft. Er fällt. Er fällt durch die Öffnung unter ihm. Nicht tief, ein plötzlicher Ruck beendet seinen Fall. Der Schmerz ist noch immer da, viel schrecklicher als zuvor. Sie will schreien. Sie muss schreien, sonst zerspringt ihr Herz. Doch aus ihrem Mund kommt nichts. Stattdessen verkrampft sich ihr Leib schmerzlich und plötzlich umgibt sie eine tiefe Schwärze. Erst hier wacht sie wieder auf. Ohne ihn.
         „William!“, erklang nun ihr herzzerreißender Schrei, dann fuhr sie zu ihrem Vater herum.
         Ihre Hände verkrallten sich in Marcus’ Kragen und rissen daran.
         „Warum habt ihr mich weggebracht? Warum?“, schrie sie ihn an. „Bringt mich zurück! Auf der Stelle!“ Dann wurde ihr Griff schwächer, ihre Kraft verließ sie und sie sank vor ohnmächtiger Verzweiflung in sich zusammen. „Er ist doch sonst ganz allein dort“, weinte sie, „er soll aber nicht allein sein. Ich habe ihm doch versprochen, bei ihm zu bleiben!“, flehte sie und Marcus riss sie, den Tränen nahe, an sich.
         „Nicht, Kate, William ist nicht allein zurückgeblieben“, flüsterte er mit erstickter Stimme. „Robert, Alec und Jamie sind bei ihm geblieben und sein Geist ist jetzt ohnehin sicher hier bei dir. Er möchte bestimmt dabei sein, wenn sein Kind geboren wird.“
         Kates Blick fuhr fragend zu ihrem Vater hoch, doch es war Lilidh, die ihr antwortete.
         „Aye, mein Kind, es kommt heute Nacht. Du solltest dich hinlegen und dich, so gut es geht, ausruhen, eh es losgeht. Du wirst alle Kräfte brauchen“, klärte Lilidh sie auf und Kate sah erschöpft zu ihrer Mutter auf.
         Wie sollte sie das schaffen, war ihre stumme Frage, doch die Antwort darauf blieb aus. Ihre Mutter erwiderte lediglich reglos ihren Blick und Kate verstand. Sie lehnte sich zurück in die Kissen und schloss die Augen.
         „Und nun raus mit euch beiden“, wandte sich Lilidh nun in gedämpftem Ton an ihren Mann und Angus, der still an der Tür gewartet hatte. „Besorgt mir nur noch heißes Wasser und so viele saubere Tücher, wie ihr auftreiben könnt. Ach, und wenn Claudia kommt, dann schickt sie
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