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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau
Autoren: John D. MacDonald
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Abneigung gegen Junior Allen entwickelt hatte, diesen lächelnden Mann. Aus gefühlsbedingten Beweggründen heraus funktioniere ich leider nicht allzu gut. Mit denen stehe ich auf Kriegsfuß. Wie mit einer ganzen Menge anderer Dinge, zum Beispiel mit Kreditkarten, Lohnabzügen, Versicherungsprogrammen, Rentengutschriften, Sparbüchern, Rabattmarken, Stechuhren, Tageszeitungen, Hypotheken, Predigten, Deostiften, Wunderstoffen, Ratenzahlungen, Parteien, Leihbüchereien, mit Schauspielerinnen, jungen Handelsvertretern, mit dem Fortschritt und mit dem augenblicklichen Schicksal.
    Ich habe den ganzen trostlosen, stumpfsinnigen Verwaltungskram satt, der alles verkleistert, bis man nur noch die glitzernden Fassaden der Versicherungshochhäuser sieht und die unmenschliche Routinearbeit, mit der sie aufrechterhalten wird.
    Das wirkliche Leben liegt in den leidgeprüften Augen einer verbrauchten jungen Frau, die einen ohne jede Hoffnung ansehen.
    Leider zieht der lebensfrohe Travis McGee keinerlei Lehre daraus. Er hütet sich nämlich auch vor jeglicher Ernsthaftigkeit.
    »Lassen Sie mich über die ganze Sache mal nachdenken, Cathy.«
    »Klar«, sagte sie und stellte ihr leeres Glas ab.
    »Noch was zu trinken?«
    »Ich muß jetzt gehen, vielen Dank.«
    »Ich setze mich über Chook in Verbindung.«
    »Sicher.«
    Ich brachte sie hinaus. Eine rührende Kleinigkeit fiel mir auf. Trotz aller Wunden und Rückschläge war ihr tänzerischer Gang so sicher und leichtfüßig und schnell, daß sie damit eine kleine, komische Nachahmung eines Freudentanzes zuwege brachte.

Dos
    Ich spazierte durch die Lounge, klopfte an die Tür und betrat die Kapitänskajüte. Chooks frische Kleider waren auf meinem Bett ausgebreitet, ihr durchnäßter Turnanzug lag zusammengeknüllt am Boden. Ich hörte, wie sie sich, planschend und summend, in der Badewanne aalte.
    »Juhu«, sagte ich in Richtung der halb offen stehenden Tür.
    »Komm rein, Liebling, ich bin splitternackt.«
    Das Badezimmer dampfte vom Wasser und der Seife. Der frühere Eigner, ein älterer Lüstling aus Palm Beach, der dieses Vergnügungsboot für seinen Lebensabend geordert hatte, hatte an viele zusätzliche Kleinigkeiten gedacht. Eine davon war die Wanne, ein halbversenktes, hellblaues Gebilde, zwei Meter fünfzehn lang und einen Meter zwanzig breit. Chook lag auf ganze Länge ausgestreckt darin, ihr schwarzes Haar schwamm um sie herum, während sie in Seifenschaum gehüllt auf und ab schaukelte und in vollen Zügen den Luxus genoß. Sie winkte mich zu sich, und ich setzte mich auf den breiten Rand am Fußende der Wanne.
    Ich schätze Chook auf dreiundzwanzig, vierundzwanzig. Ihr Gesicht ist schon ein bißchen älter. Es hat jenen ernsten, feierlichen Ausdruck, den man auf alten Fotos der Plains-Indianer sieht. Im besten Fall ist es ein eindrucksvolles, bemerkenswertes Gesicht, das Stärke und Würde ausstrahlt. Im schlimmsten Fall wirkt es manchmal wie das Gesicht der Jungen an den Elitecolleges, die sich zu einer Travestieshow verkleidet haben. Aber dieser Körper, den ich offenherziger sah als je zuvor, war unvergleichlich, gnadenlos feminin: tief und glänzend, und, unter der gepflegten kleinen Fettschicht der weiblichen Luftholapparatur, von tüchtigen Muskeln ausgeformt.
    Dies war eine besondere Herausforderung, und ich kannte die Spielregeln nicht, wußte nur, daß es Spielregeln sind, die man sich letztendlich nicht leisten kann, nicht bei den Frauen, die, wie Chook, ihre eigene, ganz spezielle Kraft besitzen, eine ganz eigene Beschaffenheit. Wie auch immer, sie hatte mich ins Badezimmer eingeladen und ging weniger mutig damit um, als sie sich vormachte.
    »Was meinst du zu dieser Cathy?« fragte sie betont lässig.
    »Ein bißchen abgewetzt an den Ecken.«
    »Kaum anders zu erwarten. Aber wie steht’s damit, ihr zu helfen?«
    »Zuerst muß man noch eine ganze Menge herausfinden. Vielleicht zu viel. Vielleicht würde es zu lange dauern und zu teuer werden, das herauszufinden, was ich herausfinden müßte.«
    »Aber das könntest du erst sagen, wenn du dir die Sache anschaust.«
    »Ich könnte einfach nur raten.«
    »Und gar nichts unternehmen?«
    »Was liegt dir dran, Chook?«
    »Ich mag sie. Und sie hat es schwer gehabt.«
    »Die große weite Welt ist voller liebenswerter Leute, denen man regelmäßig in die Magengrube haut. Sie sind anfällig für Katastrophen. Irgend etwas läuft schief, dann stürzt der Himmel über ihnen ein, und man kann den Prozeß nicht wieder
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