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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition)
Autoren: Arno Strobel
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Traurigkeit in ihren Augen. Nur was hatte das wirklich zu bedeuten? »Gib mal die Hände her, du Freak.« Denis kam zu ihm und begann damit, an dem Schnürsenkel herumzufingern.
    »He, was tust du da?«, blaffte Sebastian. Seine Laune schien noch mieser als am Vorabend.
    »Ich befreie deinen Gefangenen, damit er sich halbwegs bewegen kann, ohne sich das Genick zu brechen. Was dagegen?«
    Sebastian grummelte etwas, das Tim nicht verstand, unternahm aber nichts, um Denis’ Tun zu verhindern.
    Als seine Hände endlich frei waren, wandte Tim sich ab und sah zur offenen Tür. Soweit er sehen konnte, regnete es noch immer, aber es war kein Wind mehr zu hören. Alles in allem schienen sie bald aufbrechen und diesen Albtraum hinter sich lassen zu können.
    Inzwischen war auch Janik erwacht und erhob sich stöhnend. Als er Lucas quer vor der Tür zum Nebenraum liegen sah, wandte er sich an Sebastian. »Sollte Lucas mich nicht irgendwann wecken, damit ich ihn ablöse?«
    Sebastian nickte mit finsterer Miene. »Ja, der Schwachmat ist eingepennt. Und pennt immer noch.«
    Wütend stapfte er zu Lucas und rammte ihm unsanft die Fußspitze in die Seite. »Hey, wach auf, du verdammter Idiot!« Lucas krümmte sich stöhnend. Sebastian bückte sich, krallte die Hände in Lucas’ Jacke und zog ihn daran ein Stück hoch. »Verdammt, du solltest Janik um zwei Uhr wecken, damit der die Wache übernimmt! Jetzt war der Psycho die ganze Nacht ohne Aufsicht. Wir haben verdammtes Glück, dass wir noch am Leben sind. Er hätte mit Leichtigkeit den Schrank umstoßen und zum Beispiel seiner Tussi den Hals umdrehen können. Und wir hätten es nicht gemerkt.«
    Tim konnte nicht mit Sicherheit sagen, was den Ausschlag gegeben hatte. Die unwürdige Art, mit der Sebastian Lucas behandelte, seine Worte oder wie er Lena betitelte. Wahrscheinlich aber war es alles zusammen.
    Plötzlich jedoch segelte Tim durch die Luft und prallte gegen Sebastian. Tim spürte den Aufprall nicht. Er spürte gar nichts. Er hörte, dass jemand etwas schrie, und erkannte im nächsten Augenblick seine eigene Stimme. Dann saß er auf Sebastians Brustkorb und drosch auf ihn ein. Er wollte ihm wehtun. So sehr es irgendwie ging.
    Die Welt drehte sich, die Perspektive veränderte sich. Oben war plötzlich unten, links war rechts. Dann war da Janiks Gesicht. Es war gerötet. Der Mund darin öffnete sich, brüllte etwas, das Tim nicht verstand. Lena tauchte in seinem Blickfeld auf. Lena. Tim wurde ruhiger, ließ zu, dass seine Muskeln erschlafften. Sackte in sich zusammen und lag dann bewegungslos auf dem Boden, Janiks Knie auf seiner Brust, Lenas Hand auf seinem Kopf.
    Mist, dachte er. Jetzt hatte der Kerl es doch geschafft. Tim war ausgerastet. Nun würde er alle gegen sich haben. Zu Recht.
    Janiks Atem ging schnell. Er zog sein Knie von Tims Brust und sah zur Seite, dorthin, wo Sebastian lag.
    »Du Schwachkopf!«, stieß er aus. Nur langsam dämmerte es Tim, dass Janik damit nicht ihn, sondern Sebastian gemeint hatte.
    Er sah Janik dankbar an. »Ich …«
    »Vergiss es«, sagte Janik und drückte sich hoch. »Du scheinst wirklich den Hang zum Ausrasten zu haben. Ich werde dich auch im Auge behalten.«
    Tim drehte den Kopf zu Sebastian, der sich die blutende Nase hielt. Auch seine Lippe war aufgeplatzt. Neben ihm kniete Julia, stammelte irgendwelche tröstenden Worte und musterte ihn besorgt.
    Tims Blick wanderte zurück zu Lena. Sie saß neben ihm. Auf ihren Wangen zeichneten sich zwei dünne glänzende Spuren ab.
    »Tut mir leid.« Tim konnte sich nicht erinnern, wann er diese Worte jemals so ernst gemeint hatte.
    Lena schüttelte den Kopf. »Ich finde Gewalt ganz schrecklich, weil sie … dumm ist.« Also doch. Auch Lena hielt ihn für einen gewalttätigen Psychopathen. Aber … wer konnte es ihr verdenken?
    Neben ihnen rappelte Sebastian sich auf. Als Tim ihn ansah, zeigte er mit dem Finger auf ihn. Er zitterte. »Du gehst in den Knast, du Irrer, das garantiere ich dir.«
    Tim nickte nur und wandte sich ab.
    Ja, dachte er, mag sein. Und wenn sich herausstellt, dass ich Ralf erstochen habe, dann zu Recht.
    Es dauerte fast eine Stunde, bis sie endlich aufbrechen konnten. Die größte Schwierigkeit stellte Fabian dar. Er war auf keinen Fall in der Lage, selbst zu gehen, also mussten sie sich überlegen, wie sie ihn transportieren konnten.
    Sie dachten daran, eine Tragevorrichtung zu bauen, hatten aber keine geeigneten Materialien. Sie hätten zwar ein oder zwei der Decken
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