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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition)
Autoren: Arno Strobel
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einem Puls. Nach einigen Sekunden sah er Tim und Sebastian an. »Fühlt sich gut an, soweit ich das beurteilen kann.«
    »Bleibt die Frage, was das hier ist.« Sebastian hatte Ralfs andere Hand angehoben und das blutgetränkte Tuch abgenommen. In der geöffneten Handfläche klaffte eine hässliche, etwa fünf Zentimeter lange Schnittwunde. Sebastian stierte Tim an, dem dieser Anblick sofort in den Magen fuhr.
    »Für mich sieht das aus, als habe er versucht, einen Stich abzuwehren, und dabei eine Messerklinge in die Handfläche bekommen. Was denkst du, Janik?«
    »Blöd…sinn.«
    Es war nicht Janik gewesen, der das gesagt hatte, sondern Ralf.

32
    Tims Herz setzte einen Schlag aus.
    Ralf war bei Bewusstsein. Seine Stimme klang schwach, aber er war da.
    »Ralf!«, rief Janik. »Mensch, Ralf, verdammt, was … Verdammt. Was war denn los?«
    Ralf verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. »Sorry, hab mich in der Nacht draußen verlaufen. Da dachte ich, ich kann genauso gut versuchen, Hilfe zu holen. Hat nicht ganz geklappt«, presste er hervor. Er sprach sehr leise, aber sie konnten ihn verstehen.
    »Was ist mit deiner Hand?«, fragte Sebastian, und Tim konnte das Zittern in seiner Stimme deutlich hören. »War das Tim?«
    »Blödsinn«, wiederholte Ralf nun schwächer. »Wollte Erdnüsse essen. Der Ring … an der Dose … abgebrochen. Hab mir Tims Messer genommen. Bin abgerutscht und … geschnitten. Mist. Musste pinkeln, neben der Hütte. Mir war schlecht, wollte ein paar Meter gehen. Verlaufen …« Ralfs Stimme wurde immer brüchiger und leiser. »Nicht mehr zurückgefunden … Dachte, gehe runter. Hilfe holen. Aber … verlaufen … die Hütte gefunden, den ganzen Tag und die Nacht … hier … abgestürzt.« Ralfs Kopf fiel zur Seite, er hatte die Besinnung verloren.
    Sowohl Tim als auch Sebastian neben ihm starrten Ralf unentwegt an.
    Tims Brust pochte wie verrückt, doch er ignorierte die Schmerzen einfach. Während die anderen sich um Ralf kümmerten, brandete durch seinen Geist eine Flutwelle an Gedanken, und sie brachten ein Glücksgefühl mit sich, wie er es selten erlebt hatte. Er hatte nichts, überhaupt nichts mit Ralfs Verletzung oder dessen Verschwinden zu tun. Er war nicht geschlafwandelt. Er war kein Psychopath, sondern ein gesunder, normaler Junge von sechzehn Jahren.
    Plötzlich war Lena neben ihm und Tim sprang auf und fiel ihr um den Hals, um im nächsten Moment vor Schmerzen laut aufzuschreien. Entsetzt wollte Lena wissen, was los sei, doch Tim drückte und küsste sie nur immer wieder auf den Mund und auf die Wange und stammelte irgendwelche Dinge. Er war so glücklich.
    Irgendwann spürte er eine Hand auf der Schulter. Er löste sich von Lena und sah Sebastian, der sichtbar Schwierigkeiten damit hatte, ihm in die Augen zu sehen.
    »Nichts für ungut«, murmelte Sebastian heiser. »Das ging nicht gegen dich. Aber solange nicht klar war, ob du nicht vielleicht doch nachts zum Killer wirst, konnte ich dich nicht frei rumlaufen lassen. Ich hab mich für die Sicherheit der Gruppe verantwortlich gefühlt.«
    »Zieh deinen Papp-Sheriffstern aus und verpiss dich, du Null«, sagte Denis, der sie mittlerweile erreicht hatte. Sebastian wandte sich ab und trollte sich ein paar Meter.
    »Du Oberfreak.« Denis lächelte Tim an, der seinen Augen nicht traute. Denis lächelte tatsächlich. »Hast alle ganz schön verarscht.«
    Sie brauchten etwa eine halbe Stunde, um mit zwei halbwegs geraden Wurzelstücken, die Janik vom oberen Weg besorgte, und einigen Riemen von den Rucksäcken eine provisorische Schiene für Ralfs Bein zu konstruieren und Ralf das letzte Stück den Hang hinunterzutragen. Das übernahmen Lucas und Janik, während Sebastian sich Fabians annahm.
    Als sie alle am Fuß des Hangs angekommen waren, sprach Janik Tim an. »Ich habe nicht wirklich geglaubt, dass du was mit Ralfs Verschwinden zu tun hattest, aber ich will ehrlich sein: Ich hab’s für möglich gehalten.«
    Tim nickte. »Schon gut.« Mehr musste dazu nicht gesagt werden.
    In den folgenden drei Stunden mussten sie sich alle paar Minuten mit dem Tragen von Ralf und Fabian abwechseln. Sogar die Mädchen halfen. Ralf trugen sie zu dritt, wobei einer ihn unter den Armen griff und rückwärts lief, ein Zweiter seinen Rücken stützte und ein Dritter seine Beine hochhielt. Die provisorische Schiene hielt dabei recht gut. Zum Glück war Ralf noch immer bewusstlos – sicherlich wäre die Reise für ihn nicht sehr angenehm
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