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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition)
Autoren: Arno Strobel
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starrte auf die Lampe über sich. Er dachte daran, wie unbeschwert er ein paar Tage zuvor noch in dem kleinen Grainauer Bahnhof aus dem Zug gestiegen war.
    Es war sehr warm gewesen, der erste wirklich warme Tag in diesem Mai …

1
    Tim setzte die Tasche ab und wischte sich mit dem Ärmel des Sweatshirts über die Stirn. Er nutzte den erhobenen Arm, um seine Augen gegen das grelle Sonnenlicht abzuschirmen, und betrachtete den Eingangsbereich des Camps.
    Das Blockhaus, das wohl die Rezeption sein sollte, sah noch ebenso neu aus wie die Holztafel, die davor zwischen zwei Holzbalken befestigt war. BERGCAMP GRAINAU war mit großen Buchstaben darauf eingeritzt, darunter stand in kleinerer Schrift noch weiterer Text, den Tim von seinem Platz aus aber nicht lesen konnte.
    Die Zufahrt wurde auf der einen Seite von der Rezeption und ihr gegenüber von einer etwa zwei Meter hohen Hecke begrenzt, die keinen Blick ins Innere des Camps gestattete. Die Schranke, mit der der Weg blockiert werden konnte, stand offen.
    »Na, auch auf Abenteuerurlaub?«
    Tim drehte sich erschrocken um. Er hatte nicht bemerkt, dass außer ihm noch jemand auf dem Vorplatz des Camps angekommen war. Ein etwa Achtzehnjähriger mit schwarzen, bis tief in die Augen hängenden Haaren lachte ihn an und streckte ihm die Hand entgegen. »Hi, ich bin Ralf. Aus München.«
    Tim schlug ein und nickte. »Tim, ich komme aus Saarbrücken.«
    »Saarbrücken?« Ralfs Gesicht verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Saarland, oder?«
    »Ja«, bestätigte Tim und zog die Hand zurück.
    »Wie bist du hergekommen?«
    »Mit dem Zug. Um halb sechs heute Morgen bin ich los.«
    Ralf linste auf seine Armbanduhr. »Fast sieben Stunden. Das wäre ja nichts für mich.« Mit verklärtem Blick betrachtete er die Berge, die sich auf der rechten Seite gewaltig in den blauen Himmel erhoben. »Saarbrücken … keine Berge, oder?«
    Tim hob die Schultern. »Nein, nur ein paar Hügel.«
    »Ein Flachlandtiroler also. Bist du überhaupt schon mal in den Bergen gewesen?«
    »Nein, ist das erste Mal.«
    Ralf nickte wissend. »Anfänger also, okay, dann hältst du dich am besten an mich. Ich bin schon mit meinen Eltern in den Bergen rumgeklettert, als ich gerade laufen konnte. Bleib einfach in meiner Nähe, dann lernst du alles, was du wissen musst.«
    »Gehörst du zu den Betreuern hier?«
    Ralf winkte ab. »Quatsch, auch wenn ich bezweifle, dass einer von denen mir noch was beibringen kann. Ich hab von dem neuen Camp hier gelesen und dachte mir, ich schau mir das mal ein paar Tage an, bevor ich mit meinen Eltern zum letzten gemeinsamen Kletterurlaub nach Österreich fahre. Ich werde im Dezember achtzehn, eigenes Auto und so. Und du?«
    »Ich bin sechzehn«, erklärte Tim. »Im September werde ich siebzehn.«
    »Hey, kein Problem.« Ralf klopfte Tim auf die Schulter. »Wenn du bei mir bist, hast du ja einen Erwachsenen dabei.«
    Noch während Tim darüber nachdachte, was er von Ralf halten sollte, zwinkerte der ihm zu, nahm seinen Koffer auf und ging in Richtung Rezeption. Nach ein paar Schritten fragte er, ohne sich noch mal zu Tim umzudrehen: »Kommst du? Oder verbringst du die nächsten Tage auf dem Vorplatz?«
    Tim griff sich seine Tasche und stapfte Ralf hinterher. Es war mühselig, die große Sporttasche zu tragen, denn sie war sehr weich und bog sich in der Mitte so weit durch, dass sie über den Boden schleifte, wenn er den Arm hängen ließ. Vielleicht hatte sein Vater doch recht gehabt, als er ihm seinen dunkelgrünen Koffer angeboten hatte. Tim hatte die große Sporttasche aber für cooler gehalten und seinem Vater erklärt, er komme schon klar. Kam er ja auch irgendwie.
    Die Tasche war zu schwer, um sie mit angewinkeltem Arm zu tragen, also bog er den Oberkörper einfach so weit nach links, bis das schleifende Geräusch aufhörte. Bequem war das Gehen so nicht, aber es funktionierte.
    Ralf musterte ihn mit einem seltsamen Blick, als er vor dem Blockhaus an einer Art Tresen stehen blieb und sich zu ihm umdrehte.
    »Hallo Jungs, willkommen im Bergcamp. Ich bin Markus. Gute Anreise gehabt?« Das Gesicht, das ihnen aus dem Inneren entgegenstrahlte, wirkte noch sehr jugendlich. Tim schätzte den Mann im kakifarbenen Polo auf einundzwanzig, höchstens zweiundzwanzig. Die blonden Haare waren raspelkurz, was sein rundliches Gesicht mit den roten Pausbacken noch betonte.
    »Klar«, sagte Ralf und legte die Unterarme auf dem Holztresen ab. »Mein Name ist Ralf Eckmüller. Chirurgische
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