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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition)
Autoren: Arno Strobel
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eine Mädchenstimme sein, und sie klang wie ein … lautes Flüstern.
    »Tim, hörst du mich?«
    »Ja.«
    »Ich möchte dich mal was fragen.«
    »Wer bist du?«
    »Julia.«
    »Lass mich in Ruhe.«
    »Hör mal … Was mich interessieren würde: Wie ist das so, wenn man schon mal versucht hat, jemanden umzubringen?«
    Tims Oberkörper straffte sich. »Was?«
    »Na, ich möchte wissen, was das für ein Gefühl ist, wenn man ein Messer in die eigene Mutter gestochen hat. Und letzte Nacht in einen Freund.«
    »Gar kein Gefühl, weil ich mich an nichts erinnere!«
    Sie kicherte leise. »Ja, ist ein toller Trick. Habe ich in einem coolen Film gesehen. Da hat der Mörder auch behauptet, sich an nichts erinnern zu können. Der ist dann später in eine Klapse gekommen und war nach wenigen Jahren wieder draußen. Wird bei dir ja vielleicht auch funktionieren.«
    Tims Puls beschleunigte sich. »Verschwinde endlich!«, rief er zum Durchgang hin. »Du spinnst doch total.«
    Wieder dieses Kichern. »Ich glaube, da verwechselst du was. Der durchgeknallte Spinner bist du.«
    »Verpiss dich, verdammt!«
    »Stell dir mal vor, die finden Ralf nicht und lassen dich nach Hause. Und du fällst dann wieder über deine Mutter her. Das wäre gruseliger als in dem Film.«
    Bei Tim brannten die Sicherungen durch. Er sprang auf und wurde sich dessen erst bewusst, als er schon stand. Mit zwei langen Sätzen hatte er den Durchgang erreicht und warf sich mit voller Wucht gegen den Schrank, der daraufhin bedrohlich wackelte.
    »Du dämliche Kuh!«, schrie er. »Wenn du nicht sofort verschwindest, schmeiße ich diesen beschissenen Schrank um, und dann kannst du dich auf was gefasst machen! Ich werde dir zeigen, wie es ist, wenn ein durchgeknallter Spinner rotsieht.« Wütend schlug er mit den gefesselten Händen gegen den Schrank. »Ich habe nichts mitbekommen von dem, was ich damals getan habe. Und was mit Ralf ist, weiß niemand! Geht das in deinen Schädel?«
    »Hey, was ist denn hier los?«, mischte sich draußen jemand ein. Tim glaubte, Sebastians Stimme erkannt zu haben.
    »Ich wollte mich nur ein bisschen mit ihm unterhalten«, nörgelte Julia mit plötzlich kindlicher Stimme. »Da ist er total ausgetickt und hat sich gegen den Schrank geworfen. Nur gut, dass ihr ihn eingesperrt habt. Echt voll der Psycho.«
    »Meine Rede. Leg dich besser hin. Lucas löst dich ab und wird in den nächsten zwei Stunden aufpassen, dass unser Psycho schön da drinnen bleibt.«
    Tim drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Schrankrückwand und ließ sich langsam daran hinabgleiten, bis er auf dem Boden saß. Draußen wurde noch einige Zeit geredet und gemurmelt, dann kehrte Ruhe ein.
    Tim saß da und starrte lange in die stinkende Dunkelheit. Als er nach einer unendlich scheinenden Zeit hörte, dass nebenan jemand weinte, vergrub er das Gesicht in seinen Händen und teilte Lenas Tränen.

30
    Tim konnte das Geräusch, durch das er aufwachte, erst nicht einordnen, doch nachdem die letzten Reste des bleiernen Schlafes von ihm abgefallen waren, wurde alles wieder klar. Die stinkende Kammer, der Schrank … das war es gewesen. Sie hatten den Schrank zur Seite gerückt.
    Der beißende Geruch der Exkremente stieg ihm erneut in die Nase und ließ ihn würgen. »Los, aufstehen, wir machen uns gleich auf den Weg.« Tim erkannte Sebastians Stimme, noch ehe seine Augen sich an das helle Licht gewöhnt hatten.
    Er hatte sich in der Nacht wohl irgendwann dort, wo er gesessen hatte, einfach zur Seite gelegt und war eingeschlafen. Es kostete ihn einige Mühe, mit den gefesselten Händen aufzustehen. Der ganze Körper tat ihm weh, was kein Wunder war, so verrenkt, wie er auf dem stinkenden Boden gelegen hatte.
    Schließlich schaffte er es doch und ging ungelenk an Sebastian vorbei in den Hauptraum der Hütte. Offenbar schliefen fast alle anderen noch, nur Denis und Fabian waren wach. Unmittelbar vor dem Durchgang lag Lucas und schlummerte tief und fest. So wie er dalag, schätzte Tim, dass er während seiner Wache eingenickt war.
    Denis hatte Sebastian offensichtlich dabei geholfen, den Schrank zur Seite zu schieben, und stand noch immer daneben.
    Fabian saß zwar aufrecht und sah auch etwas besser aus als am Vorabend, doch man sah ihm deutlich an, dass er noch hohes Fieber hatte und schwach war.
    Auch Lena lag noch in ihre Decke eingekuschelt auf dem Boden und erwachte gerade. Sie sah zu Tim, ihre Blicke trafen sich, und wieder erkannte Tim diese tiefe
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