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Abgezockt

Abgezockt

Titel: Abgezockt
Autoren: Simon Wood
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erklärte Abby voll Stolz.
    »Daddys Unfall« war eine Buntstiftzeichnung, die eine Brücke und Joshs Wagen am Grunde eines Flusses zeigte. Josh saß hinter dem Steuer. Ihm fehlten die Worte. Nur ein Kind, das die Welt der Erwachsenen erst entschlüsselte, konnte so eine schockierende Ehrlichkeit zeigen. Nach einigen Sekunden lächelte Josh.
    »Wie findest du es?«
    »Es trifft ziemlich genau die Tatsachen«, antwortete er.
    »Dann gefällt es dir?«, fragte Abby erwartungsvoll.
    »Oh, ich bin hingerissen«, sagte er mit leichtem Unbehagen. Er bückte sich, um seine Tochter zu küssen.
    »Toll! Es ist genau so, wie es Mommy mir beschrieben hat.«
    »Tatsächlich?«, fragte er misstrauisch.
    »Ich hol dir dein Sandwich.« Kate ging in die Küche,
    Josh hörte ihr glockenhelles kleines Lachen. Seine Frau überließ es ihm, das Bild zu loben, und er suchte nach einem Kompliment.
     
    Am nächsten Morgen hatte Josh das Haus für sich. Kate und Abby hatte er zu einem Einkaufsbummel geschickt. Sollten sie sich mit Familien und Kindern im Shopping-Center herumschlagen. Die Aussicht auf das Geschubse und Gedrängel inmitten von Horden ungeduldiger Menschen, die sich auf dieselben Discount-Läden konzentrierten, hatte ihm nicht sonderlich zugesagt. Er wollte Zeit für sich allein haben. Kates und Abbys Fürsorge erdrückte ihn. Ständig erkundigten sie sich nach seinem Wohlbefinden. Seinem Arbeitgeber hatte er gesagt, er werde ein Weilchen freinehmen; genauso Kate. Hoffentlich würden die zwei Familienmitglieder mit der Zeit etwas lockerer, sonst würde ihm der Urlaub länger als vierzehn Tage vorkommen.
    Josh ging in sein Arbeitszimmer am Ende des Flurs im Erdgeschoss. Der Raum war seine private Zuflucht – ein Luxus nur für ihn. Bücherregale enthielten den Lesestoff, den er mochte, und die Fächer und Wandborde waren voll mit Reiseandenken und Geschenken, die er ins Herz geschlossen hatte. Seiner Familie machte er nur ein einziges Zugeständnis: Abbys Bildergalerie.
    Er nahm die Kinderzeichnung vom Schreibtisch und heftete sie an die Wand, die ein Portfolio bedeutender Ereignisse in Abbys Leben darstellte. »Daddys Unfall« fand ein hübsches Plätzchen neben einem Porträt von Wiener und von dem Killerwal im Meeresaquarium. Josh lächelte über den Neuzugang. Das Bild war bizarr, aber wirklichkeitsgetreu. Er liebte es.
    Das Telefon klingelte, und Josh griff über seinen Schreibtisch.
    »Josh Michaels«, sagte er, den Blick immer noch auf die Bilder seiner Tochter gerichtet.
    »Hi, Josh«, antwortete eine Frauenstimme.
    Er erkannte die Stimme sofort. Er hatte sie seit fast zwei Jahren nicht mehr gehört. Sein Lächeln verflog. Er wandte sich von der Bildergalerie ab und setzte sich auf den Schreibtisch, damit ihm die Beine nicht versagten. Plötzlich schwappte wieder Flusswasser unangenehm in seinem Magen, und der saure Geschmack war wieder in seinem Mund.
    »Hallo … Bell«, sagte er leicht stotternd.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Bell mit spöttischem Ton.
    Gottlob ist nicht Kate drangegangen.
Er dankte seinem Schicksal, dass
er
am Apparat war. »Du solltest nicht hier anrufen.«
    Ohne ihn zu beachten, fuhr sie fort: »Ich hab von deinem Abenteuer gestern Abend im Fernsehen gehört. Straßenrowdys sind ein schreckliches Symptom unserer heutigen Gesellschaft. Anscheinend hattest du mehr Glück als Verstand. Ich dachte, du kannst gar nicht schwimmen.«
    »Kann ich auch nicht«, erwiderte er barsch.
    »Wer hat dich dann gerettet?«
    »Die Angst«, sagte er trocken.
    »Sehr beeindruckend. Da sieht man mal wieder, wozu man in der Not imstande ist. Bloß erstaunlich, dass sie dich nicht mit deiner liebreizenden Gattin und deinem bezaubernden Töchterlein interviewt haben. Aber aus Publicity hast du dir ja nie viel gemacht. Wie geht’s denn den beiden?«
    »Was willst du, Bell?«, sagte er, um zur Sache zu kommen.
    »Hart und direkt, was, Josh? Kein ›Wie geht’s dir, Bell?‹, ›Lange nichts von dir gehört, Bell‹«, schnaubte sie verächtlich. »Du hast dich verändert, Josh. Ich weiß noch, wie wir stundenlang miteinander redeten. Du hast es geliebt, zu reden. Manchmal hast du auch zu viel geredet, und wir wissen ja, wo du dadurch gelandet bist.«
    »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.
Was
willst du?« Josh beschloss, seine Angst durch einen wütenden Tonfall zu überspielen.
    »Es geht nicht darum, was ich will, sondern was ich für dich tun kann.«
    »Und das wäre?«
    »Ich kann den Lebensstil schützen, der
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