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Abgezockt

Abgezockt

Titel: Abgezockt
Autoren: Simon Wood
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war einfach gut im Töten, aber nicht darin bestand die Herausforderung, sondern in der Kunst, es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Sein Auftraggeber hatte sich das ausgedacht, denn es war in regelmäßigen Abständen erforderlich, dass Leute in seinem Einflussbereich starben, allerdings durfte natürlich kein Verdacht auf ihn fallen. Das konnte er sich nicht leisten. Jedes Mal überlegte der Profi lange und genau, welche Art von Unfall zu seinen Zielpersonen passte, damit sein Auftraggeber zufrieden war. Er hob Zeitungsausschnitte von ungewöhnlichen Unfällen auf, die er für seine Zwecke nachstellen oder verbessern konnte. Er verwendete viel Sorgfalt darauf, dass seine Anschläge wie Unfälle aussahen, obwohl er gelegentlich auch einen eindeutigen Mord beging, falls die Lage es zuließ. Seiner Meinung nach war ein anscheinend grundloser Mord genauso schwer einzufädeln wie ein gut geplanter Unfall.
    Aber es kostete Zeit, die Sache so vorzubereiten, dass sie nach einem Unfall aussah. Zu viel Zeit für seinen Auftraggeber; der wollte dem Schicksal immer schneller nachhelfen, und die Anzahl der Aufträge war in den letzten zwölf Monaten erheblich angestiegen. Das hieß logischerweise auch weniger Vorbereitung; für einen Mordanschlag gab es also keine Qualitätsgarantie. Wenn sein Auftraggeber schnellere Arbeit verlangte, dann konnte der Profi das liefern, aber es würde nach Mord aussehen, und Mord bedeutete Nachforschungen.
    Er betrachtete sich eher als Meister seines speziellen Fachs, nicht als brutalen Killer; als einen der letzten Vertreter seiner Art in einer Welt kommerzieller Massenkultur. Man konnte ihm kein größeres Kompliment machen, als wenn er in den Meldungen der Tageszeitung oder abends in den Fernsehnachrichten die Worte »tragischer Unfall« in Verbindung mit dem Namen seiner Zielperson las. Jeder halbwegs geschickte Affe war fähig, ins Schwarze zu treffen, aber es erforderte wahre Intelligenz, Klasse und Sorgfalt, einen Mord auszutüfteln, hinter dem niemand einen Auftragskiller ahnte.
    Im Lauf der Zeit war ihm der Applaus für seine Leistungen wichtig geworden. Er brauchte ihn. Früher hatte er sich aus dem Staub gemacht, bevor die Leiche auch nur kalt war. Heute hatte er von den Bullen wenig zu befürchten und konnte eine Zeitlang in der Nähe des Tatorts herumlungern. Das ultimative Lob bescherten ihm Freunde und Verwandte des Ermordeten. Der Profi hatte mehrfach am Begräbnis seiner Opfer teilgenommen oder es wenigstens von fern verfolgt. Es ging ihm runter wie Öl, wenn die Hinterbliebenen über die Todesumstände sprachen, und jedes Mal wurde er von überwältigendem Stolz erfüllt. O ja, er liebte seinen Beruf.
    Der Beruf war sein Leben, obwohl er auch seine Schattenseiten hatte. Es war ein einsames Leben, das der Killer führte. Kontakte zu seinen Mitmenschen waren eine Seltenheit. Meist sah er nur diejenigen, die er im Visier hatte. Jahrelange Übung hatte ihn zum Meister darin gemacht, unsichtbar zu werden, und niemand bemerkte ihn. Der Beruf machte sein Leben sehr unpersönlich. Obwohl er seit zwei Jahren für den gleichen Auftraggeber arbeitete und über eine halbe Million Dollar Honorar verdient hatte, hatte er den Mann noch nie gesehen. Seine eigene Wohnung in Boston glich dem Motelzimmer, in dem er jetzt saß. Es gab keine Fotos von ihm oder seiner Familie, keine Bücher, CDs oder andere persönliche Besitztümer. Wer in sein Haus spazierte, der konnte nicht erkennen, ob hier jemand eingezogen war oder gar darin gelebt hatte. Der Killer riss sich von seinen Gedanken los, bevor sie ihn deprimierten. Es gab Arbeit.
    Er zog eines der drei Mobiltelefone aus dem Aktenkoffer. Es war wie die beiden anderen ein Prepaid-Handy, bar bezahlt und unregistriert. Dieses hier verwendete er für seinen Auftraggeber. Er warf die Handys regelmäßig weg, um eine Verbindung anhand der Protokolle der Netzbetreiber zu verhindern. Er drückte die Schnellwähltaste und hörte kaum das Freizeichen: Der Anruf wurde sofort entgegengenommen.
    »Ja?«, meldete sich sein Auftraggeber.
    »Ich habe Neuigkeiten zur Situation«, sagte der Profi.
    »Und?«
    »Der Michaels-Auftrag war nicht erfolgreich.«
    »Was soll das heißen, verdammt? Sie sagten, er würde gestern erledigt.«
    »Die Zielperson hat plötzlich ihr Schwimmtalent entdeckt. Die Angaben, die Sie mir zugesandt haben, waren falsch.« Der Profi betonte, dass nicht er schuld war.
    Der Auftraggeber unterdrückte seine Wut, aber schon eine Kleinigkeit
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