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abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

Titel: abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Autoren: Minck
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Rätselheft wieder auf und schaute im Lösungsteil nach: Auch ein an ihr erblindetes Geflügel findet ein Korn.
    Da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Die Lösung lautete: Liebe.

02
    Herrn Matti Paavo Bietiniemolaiinnen
    Justizvollzugsanstalt Bochum
    Krümmede 3
    44791 Bochum

    Niederbachklinik, Bad Camberg, 26. April 2002
    Lieber Herr Matti,
    leider kann ich Ihnen erst heute schreiben. Die Kur verläuft ganz gut. Oma Berti ist schon wieder richtig fit. Wir haben zwei sehr nette Damen kennengelernt, mit denen sie die meiste Zeit verbringt: Carmen Sawatzki aus Recklinghausen und Mia Hoffstiepel aus Bochum-Wattenscheid. Sie sitzen im Speisesaal am Tisch nebenan. Nachdem die beiden Oma Bertis Reaktion auf das geschmacksfreie Mittagessen mitbekommen hatten, haben sie uns sofort über örtliche Gastronomie, Preise, Entfernung und kulinarische Köstlichkeiten informiert. Seitdem sind die drei Damen unzertrennlich, und mein Job als Oma Bertis Adjutantin gestaltet sich relativ entspannt.
    Wie geht es Ihnen? Ihr Anwalt, Dr. Herzig, gibt sich wirklich alle Mühe, Ihren Prozess ordentlich vorzubereiten, aber Sie sollten auch bitte auf ihn hören. Machen Sie um Himmels willen, was der Mann Ihnen rät, sonst wandern Sie für die nächsten zehn Jahre ins Gefängnis. Ich finde, das dürfen Sie nicht riskieren. Oma Berti lässt Sie herzlich grüßen. Ich soll Ihnen ausrichten, dass sie ganz meiner Meinung ist. Wenn ich aus der Kur zurück bin, dann komme ich Sie besuchen, und wir sprechen noch mal über alles.
    Das Wetter ist nicht besonders. Es regnet, seit wir hier angekommen sind. Das passt nicht so ganz zu dem Namen, den diese Region hier trägt: »Der goldene Grund«. Bis jetzt passt eher: »Der grau-matschige Grund«.
    Alles in allem geht es uns hier sehr gut, und wir erholen uns bestens. Sie würden staunen, wie fit ich mittlerweile bin. Ich mache jeden Tag Sport. Gott sei Dank bin ich hier ja nur eine Begleiterin, denn der Kennerblick der Ärztin, die eigentlich Oma Berti untersuchen sollte, auf meine Hüften hätte mir einen Platz in der Diätgruppe gesichert. Gerade noch mal davongekommen.
    Ich hoffe, Sie üben weiter fleißig Lesen und Schreiben.
    Woher haben Sie überhaupt die Formulierung aus Ihrem letzten Brief?

    Mit lieben Grüßen
    Margret Abendroth
    »Hallo, Tee?«, schnarrte eine Stimme neben mir.
    »Nee, danke«, antwortete ich, ohne zu gucken, wer mir da Tee anbot. Meine Nase sagte mir, dass es sich um einen Annäherungsversuch von einem Mitglied der Allergietruppe handeln musste. Es roch nämlich nach nichts.
    Als ich endlich doch aufschaute, war ich schon wieder allein. Der Regen prasselte gleichmäßig auf das Holzschindeldach des Pavillons, der ein paar Meter abseits des Kurklinikgartens für uns Raucher aufgebaut war. Hierhin hatte ich mich verzogen, um endlich den längst fälligen Brief an Herrn Matti zu schreiben. Der Arme saß, seit den fatalen Ereignissen im Bestattungsinstitut, in Untersuchungshaft. Mein schweigsamer finnischer Thanatopraktiker lernte dort Lesen und Schreiben und schickte mir, wann immer der Staatsanwalt es zuließ, nämlich genau zweimal im Monat, exzentrisch formulierte Briefe. Ich vermutete, dass er sich bei seinem jeweiligen Schreibstil von den wenigen Büchern inspirieren ließ, die die Anstaltsbibliothek für die Inhaftierten bereithielt. Mal klangen sie nach Lore-Roman, mal nach Goethe oder Last Exit to Brooklyn. Bevor ich zur Kur verschleppt worden war, hatte ich ihm durch seinen Anwalt ausrichten lassen, dass er mir bitte kein Geld mehr schicken sollte. Herr Matti ließ mir nämlich jeden Monat 500 Euro überweisen, damit ich mich über Wasser halten konnte. Durch ihn hätte ich ja erst meinen Job verloren, war seine Begründung für den monatlichen Geldsegen. Er hatte mir versichert, dass er über genügend Geldmittel verfüge und ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Im Matti-Stil sah das so aus: Seid den Beweisen der Verehrung zugänglich, die ich Euch zu liefern gedenke. Weist solche also nicht zurück. Ihr ließet mich ein Verbrechen begehen, wenn Ihr mich hindertet etc. etc. … Euer sehr ergebener Diener … Wenn die Geschichte nicht so tragisch wäre, hätte ich mich sicherlich über diese gestelzten Wortschnörkel amüsiert. Aber ich war in großer Sorge um den schweigsamen, stillen Mann, der mir Weihnachten das Leben gerettet hatte. Und in gewisser Weise tat er es immer noch, denn ohne seine monatliche Zuwendung hätten Dr. Thoma und ich in der
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