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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Autoren: Federico Baccomo
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Wiederholung des ersten.
    Die Sonne geht auf, beschreibt ihren Bogen, verschwindet. Ein gleichgültiger, methodischer Zyklus. Mehr als eine Allegorie. Im Sitzungssaal macht sich ein lustloser Pessimismus breit, das wird nichts, das schaffen wir nie, die Geschichte platzt, deal breaker, Gott . Ich rede, frage, unterbreche, widerspreche, schüttle den Kopf, nicke, rege mich auf, tue meine Pflicht und versuche, hinter alledem eine Logik zu erkennen.
    Eine solche Sitzung zu überleben, ist nicht schwierig. Distanz. Sich distanzieren, als würde das alles gar nicht wirklich passieren, und ganz bestimmt nicht einem selbst. Den Stift in den Fingern herumdrehen, Stillleben in die weiße Spalte auf den Verträgen zeichnen, Dialoge ersinnen, in denen gelacht wird, kleine Zeichentrickfiguren in die Ecken eines Hefts malen, die Seiten schnell durchblättern und Gesichter sehen, die sich zu einem Lachen verziehen, Kreise, die sich ausdehnen, eine Gestalt, die flieht, bis sie nur noch ein winziger Punkt ist. Dieses Mal nicht.
    Dieses Mal ist alles anders.
    Das wird an dem Druck liegen, weil dies hier mein erstes wirklich verantwortungsvolles Projekt ist – ( Emily ) –, und es wird daran liegen, dass ich mich weit weg von zu Hause in diesem Reich Oz befinde, wo jedes Versprechen unerfüllt bleibt – ( Emily ) –, und es wird an der Müdigkeit liegen, die sich in den letzten Wochen angesammelt hat – ( Emily ) –, und ja doch, es wird an Emily liegen, an Emilys Anwesenheit, an Emilys Abwesenheit. Nichts in ihrer Stimme, in ihren Augen, in ihren Gesten spricht von dem, was einmal war. Ein Foto, das unscharf wird. Professionalität. Distanz. Wir danken für die produktive Zusammenarbeit und wünschen weiterhin viel Erfolg . Emily ist stark und entschlossen, und ich wiederhole ständig aber ja doch, aber ja doch, aber ja doch und merke plötzlich, dass ich an einem Ort herumirre, wo ich mich nicht auskenne, dass ich die falsche Richtung eingeschlagen habe. Ich spüre, dass ich mich entschuldigen, etwas zugeben, verzeihen müsste. Mir verzeihen lassen. Aber ich verspüre immer noch Wut und Enttäuschung, weil Emily nicht, wie ich gehofft hatte, anders ist. Vielleicht bin auch ich es, der sich nicht ändern kann: ein Soldat im Schützengraben, der sich ergibt, aber sein Gewehr nicht aushändigen möchte.
    Wenn ich doch wenigstens auf Metaphern verzichten könnte.

47
    Die Stunden vergehen unter dem Ticken der großen korallenroten Uhr, die den Saal beherrscht. Klauseln werden modifiziert, Paragraphen angepasst, Leerstellen gefüllt. Die Papiere nehmen im gleichen Maße Form an, wie wir sie verlieren.
    »Endru«, sagt Giuseppe und fährt sich mit dem Handrücken über die Wange. »Der Bart.«
    »Der Bart?«, wiederhole ich.
    »Du hast dich nicht rasiert«, erklärt er leise.
    »Ich weiß, Giuseppe.« Ich zucke mit den Achseln. »Heute Morgen bin ich nicht aus dem Bett gekommen.«
    »Sicher, kann ich gut verstehen. Aber das sind Zeichen für Schwäche.«
    »Schwäche? Giuseppe, glaub mir, ich …«
    »Endru«, unterbricht er mich und schlägt leise mit der Hand auf den Tisch. »Ich habe dir noch so viel beizubringen. Sieh das doch einfach ein.«
    Das Blau des Himmels ist immer dasselbe, ein makelloser Auftrag, das Produkt hochwertiger Handwerkskunst. Die um den Tisch versammelten Gesichter beobachten erstaunt die eigenen Hände, die Fotokopien stapeln, mit dem Finger über Notizen gleiten, mit dem Stift auf Armlehnen klopfen, sich hektisch unter den Achseln kratzen. Aus den Mündern kommen die letzten schwachen Einwände, und während die Arbeit immer frenetischer vorangeht, macht sich überall ein Gedanke breit: Heute Abend wird alles ein Ende haben. Egal wie es ausgeht, heute Abend wird alles ein Ende haben. Die Rückflüge sind gebucht, die Koffer liegen halb gepackt auf den Fußböden, die ein oder andere nicht adressierte Postkarte steckt in den Innentaschen der Jacketts und manch einer hat schon zu Hause angerufen, damit er am Flughafen abgeholt wird – in Linate, denk dran, nicht in Malpensa, hast du das notiert?
    Wie immer gibt es für alles einen Weg, und letztlich werden die Übereinkünfte im Namen von Interessen erzielt, die zu kennen ich nicht verpflichtet bin. In meinem Fall reicht es, wenn ich Seite um Seite den Vertrag durchgehe, bis ich im angespannten Schweigen, das jetzt herrscht, mit dem Finger auf das letzte Blatt tippe: »Das Fax. An was für eine Faxnummer schicken wir Meyon & Tolsen die Sachen?«
    »Das
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