Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
aufgelösten Verlobung sprach, nickte er.
    „Ich habe gesehen, daß Sie den Ring nicht mehr tragen“, sagte er. Dann schwieg er wieder.
    Wir gingen hinüber und schauten nach Nipp. Es schien ihm jetzt ganz gut zu gehen.
    Rune ging zum Klavier und klimperte darauf. Es war ein altes Tafelklavier, nicht sehr voll im Klang, aber rein und gut gestimmt.
    „Singen Sie doch etwas, Rune!“
    Er lachte ein wenig. „Was soll ich denn singen?“
    „Was Sie wollen!“
    Er schlug ein paar Akkorde an, sang leise dazu, es war eigentlich nur ein Summen. Aber dann vergaß er seine Verlegenheit und sang richtig. Es war das Lied „Die Nebensonnen“ von Schubert.
    „Sie können wohl alles!“ entfuhr es mir, als er geendet hatte.
    „Das wohl nicht“, meinte er lächelnd. Er lächelte neuerdings oft. „Ja, Tiere versorgen, das soll ich wohl können als ausgebildeter Tierarzt. Aber sonst – ein bißchen Landwirtschaft, ein bißchen singen – weiter nichts!“
    „Und dann lesen Sie sicher viel, und Sie sind bestimmt ein guter Sportsmann, und außerdem verkaufen Sie Eier und Sahne und…“
    Nun lachte er laut auf. „Das sollten Sie lieber nicht erwähnen. Meine Mutter lacht immer über mich, wenn ich versuche, mich als Geschäftsmann zu betätigen. Vor lauter Sorge, die Preise zu hoch anzusetzen, verkaufe ich meist mit Verlust.“
    Rune erhob sich. Er sah noch einmal nach Nipp und beruhigte mich, daß wirklich kein Grund zur Besorgnis vorhanden sei. Dann machte er Miene zu gehen. Aber ich bat ihn, noch mal von den Johannisbeeren zu nehmen, und so blieb er sitzen. Es wurde dunkel. Wir sahen nicht mehr viel. Die Verandatür stand offen, und eine milde Nachtluft strömte herein.
    „Wie schön es hier ist“, sagte Rune.
    „Ja“, flüsterte ich, „und wie behaglich!“
    Trotz der Dunkelheit merkte ich, daß Rune lächelte.
     
    *
     
    Studienkreis auf Tangen!
    Wir waren alle beisammen. Ich hielt einen ausführlichen Vortrag – ziemlich stammelnd, wie mir schien – und erklärte, wie wir zu Hause die Schauspiele zu lesen pflegten. Alle die jungen, frischen Gesichter waren mir zugewandt, alle mit lebhaft teilnehmenden Augen, und niemand war darunter, der sich heimlich über mich lustig machte.
    Als ich geendet hatte, sagte Lehrer Volden: „Entschuldigen Sie, Fräulein Björk, Sie sind doch nicht etwa die Tochter vom Ibsen-Björk?“
    „Doch!“ sagte ich.
    „So ein Zufall! Ich kenne Ihren Herrn Vater gut, er war einmal mein Lehrer. Bitte, grüßen Sie ihn herzlich von mir. Er ist ein großartiger Mensch.“
    Dann fingen wir an. Rune las den Hakon, und ich bekam einstimmig die Margrete zugeteilt. Nach dem ersten Akt gab es Kaffee aus Mutter Kerstis geblümten Tassen, und wir diskutierten eifrig und ebenso ernsthaft wie zu Hause. Oh, wie ich mich darauf freute, darüber Vati zu berichten!
    Dann nahmen wir uns den zweiten Akt vor. Wir kamen an den Aufbruch nach der Hochzeitsfeier, und Rune las die Worte Hakons: „Wenn du, Margrete, lieber in Bergen bleiben möchtest, so tu das!“ Und ich las weiter: „Wohin du fährst, will ich folgen, bis du es mir verbietest.“
    Beim Umwenden des Blattes sah ich einen Augenblick auf, und meine Augen trafen sich mit denen von Rune. Da fühlte ich mit einem Male meinen Herzschlag bis in den Hals. Mir schien, als gäbe es plötzlich eine eigentümliche drahtlose Verbindung zwischen uns. Hatte er etwas Bestimmtes aus meiner Stimme herausgehört, als ich diese Worte las? Wußte er… verstand er…?
    Ja, er wußte und verstand, bevor ich selbst verstand und wußte.
     
    *
     
    Rune brachte mich heim. Margit war mit ihrem Freund schon vorausgegangen. Wir sprachen nicht, ehe wir an der Tür von Kollen standen. Aber Rune hatte meine Hand ergriffen, so gingen wir wie zwei Kinder Hand in Hand die Landstraße entlang, und die Sterne schimmerten über uns.
    Dann blieb er vor mir stehen. Im Halbdunkel sah ich sein Gesicht.
    „Unni!“
    „Ja?“
    Seine Hand strich über mein Haar.
    „Unni – Liebste!“
    Ich lehnte mich gegen seine Schulter. Sie war breit, sicher und gut. Dann flüsterte er etwas. Seine Stimme war eigentümlich weich und zart:
    „Unni, hör zu! Ich muß dir etwas sagen, was ich noch nie zu einem Menschen gesagt habe.“
    „Ja – sag es!“
    „Denn jetzt kenne ich dich. Jetzt weiß ich, daß du nicht über mich lachen wirst.“
    Er beugte sich herab und flüsterte mir ins Ohr:
    „Ich liebe dich!“
     
    *
     
    Vor etwa einem Monat hatte ich Tante Agnete geschrieben, daß ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher