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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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Ich
sage dir dann rechtzeitig Bescheid.
    Dein Tilman

Sehr geehrter Herr Lendle,
    wie geht es Ihnen?
    Bei unserem letzten Telefonat sagten Sie, dass ich mich noch einmal
melden könne, wenn mein Manuskript »Die Abenteuer meines Bankberaters«
abgeschlossen sei. Dann würden wir in Ruhe über alles reden.
    Nun muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich den Roman nicht
fertigschreiben werde. Zurzeit bin ich leider vollkommen mit einer größeren
Sache beschäftigt, ans Schreiben ist da nicht zu denken. Und selbst wenn sich
das in näherer Zukunft ändern sollte, habe ich das Gefühl, dass es für alle
Beteiligten besser wäre, den Roman zu verwerfen.
    Es tut mir sehr leid, vor allem auch um den schönen Umschlag.
Vielleicht finden Sie in Ihren Stapeln ja noch ein anderes Manuskript, in dem
eine Katze vorkommt.
    Ich melde mich gern wieder, wenn ich mit dem Gedichtband, von dem
ich Ihnen mal erzählt habe, weitergekommen bin.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    PS : Gibt es in Ihrem Verlagsprogramm zufällig irgendein Buch,
in dem beschrieben wird, wie man in ein Gefängnis einbricht und wenn möglich
auch wieder daraus ausbricht? Könnten Sie es mir zukommen lassen? Innerhalb der
nächsten siebzehn Stunden?
    Zu einem unserer Termine im März erschien mein ehemaliger
Bankberater in Strümpfen. Er habe heute leider seine Schuhe vergessen, erklärte
er mir. Wie man denn seine Schuhe vergessen könne, fragte ich. Mein Bankberater
seufzte. »Mit Schuhen geht das leicht«, sagte er. »Immerhin mit Schuhen geht
das leicht.«

Sehr geehrter Herr Willis,
    ich bin doch ruhig. Ich bin die Ruhe selbst, sehen Sie. In
aller Ruhe grabe ich jetzt diesen Tunnel. Selbst wenn das länger dauern sollte
als die sechzehneinhalb Stunden, selbst wenn das Jahre dauert. Ich habe
schließlich Zeit. Ich habe alle Zeit der Welt. Ich muss gerade nirgendwo sein.
    Sie brauchen mir auch nicht zu helfen, wenn Sie nicht wollen. Gehen
Sie ruhig nach Hause, Herr Willis. Ich erlasse Ihnen die verbleibenden Stunden.
Los, gehen Sie schon. Und hören Sie auf, mich so besorgt anzuschauen. Ich weiß,
dass es keine sehr gute Idee ist, einen Tunnel zu graben, ich weiß:
Grundwasser, ich weiß: Statik, ich weiß: unzureichende Ausrüstung, aber ich
habe nun einmal nur diese eine Idee. Und ich will bitte keine Einwände mehr
hören, die kenne ich alle selbst. Gehen Sie, Herr Willis, ich kann mich leider
nicht länger mit Ihnen beschäftigen, ich kann Ihnen leider nicht mehr
schreiben. Ich bin beschäftigt, ich habe alle Hände voll zu tun. Das sehen Sie
doch.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Ob sein Bruder ein, zwei Nächte bei mir übernachten könne,
fragte mein ehemaliger Bankberater. Bei ihm selbst sei es nämlich gerade etwas
schwierig. Der Bruder sei auch sehr still, versicherte er mir, der falle kaum
auf. Am Abend stand dann mein ehemaliger Bankberater vor der Tür, eine blaue
Sporttasche in der rechten Hand, in der linken ein kleiner Strauß Tulpen
in Cellophanpapier. »Mein Bruder lässt sich entschuldigen«, sagte er leise.
Dann kam er herein.

Sehr geehrter Herr Willis,
    Sie stehen unschlüssig neben mir und schauen mir zu, wie
ich mit den Händen erbärmlich kleine Brocken Erde aus dem Boden schaufele. Sie
sehen, wie ich schwitze, Sie sehen, wie konzentriert ich Sie nicht anschaue,
Sie hören meinen schnaufenden Atem. Dass Sie jetzt wirklich gehen würden,
nehmen Sie sich schon zum fünften oder sechsten Mal vor, das wissen Sie nicht
mehr ganz genau, und noch weniger genau wissen Sie, warum Sie nicht gehen, warum
Sie immer wieder zögern, immer wieder nach einer Ausrede suchen, um noch einen
Moment länger bleiben zu können. Es ist kein Mitleid mit mir, da sind Sie sich
sicher. Ich bin Ihnen nach wie vor ziemlich gleichgültig, nicht einmal richtig
wütend können Sie auf mich sein, so sehr Sie sich das gerade wünschen.
    Und es ist auch kein übertriebenes Pflichtgefühl, kein schlechtes
Gewissen, das glückliche Ende für mich und meinen Bankberater nun endgültig zu
verhindern. Sie haben ohnehin nicht viel verstanden von dem, was ich Ihnen die
ganze Zeit erzählt habe, zum einen, weil mein Englisch nicht besonders gut ist,
und zum anderen, weil es Sie einfach nicht sehr interessiert hat. Ihnen
schwirrten genug andere Sachen durch den Kopf (Liebe, Tetanus, Beruf), und das
letzte, was sie gebrauchen konnten, waren da irgendwelche neuen Probleme, mit
denen Sie sich herumschlagen sollten.
    Und nein, ganz sicher suchen Sie keine Herausforderung, schon gar
keine, die mit
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