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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Autoren: Meik Eichert
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Laubschicht gepolsterte Waldboden eine Wohltat. Nach einiger Zeit konnte ich mich an den Geräuschen einer nahen Landstraße orientieren, auf die ich schließlich an geeigneter Stelle hinab stieg. Nach weiteren 2 km fand ich einen Pfad, der auf den „offiziellen“ Camino zurückführt. Gut und schön, aber durch mein Verlaufen war ich wieder im Tal angekommen und musste erneut einen Anstieg überwinden, der dem nach Krautscheid in nichts nachstand. Spätestens da sehnte ich das heutige Etappenziel herbei. Es nützte nix, bis Neuerburg waren es noch 5 km. Da der Geist willig war, hielt ich mich am Laufen, auch wenn es nun kein Vergnügen mehr war. Die Landluft empfand ich das letzte Stück etwas zu „würzig“. Am Ortseingangsschild von Neuerburg wähnte ich mich fast am Ziel, bis in die Stadtmitte hinein zog es sich jedoch noch einmal gewaltig, wieder ging es an meine Reserven. Endlich angekommen, versuchte ich mich zu orientieren und hielt Ausschau nach der Jugendherberge. Gerade als ich einem Hinweisschild folgen wollte, hielt neben mir ein Auto an. Die Dame hinter dem Steuer stellte sich mir als „Burgherrin“ der Jugendburg Neuerburg vor und fragte, ob ich einsteigen möchte, ich sei doch sicher der Pilger, der ihr aus Waxweiler angekündigt wurde. Dieses Angebot nahm ich natürlich dankend an. Obwohl es nicht mehr weit war, zu Fuß hätten mir die Serpentinen hinauf zur Burg heute sicherlich den Rest gegeben. Vermute, genau deshalb wurde mir die Dame „geschickt“, damit eben das nicht passiert. Es sind Fügungen wie diese, die so gerne dem Jakobsweg zugeschrieben werden. Ich sehe das etwas weniger verklärt, glaube vielmehr, dass auch der Alltag immer wieder vergleichbare Situationen bereithält. Es ist wohl vielmehr alles eine Frage der Wahrnehmung, des Erkennens.
     
    However, ich war jedenfalls heilfroh über die unverhoffte Mitfahrgelegenheit. Schön auch, wieder in einer echten Burg schlafen zu dürfen. Mein kleines Zimmerchen befindet sich hoch oben im Turm des Neuerburger Wahrzeichens, aus dem Fenster fällt mein Blick direkt 50 m in die Tiefe auf ein paar Kirschbäume in voller Blüte. Wahrscheinlich war das früher das Zimmer von Rapunzel… .
     
    Unglaublich, 40 km habe ich heute zurückgelegt und fühle mich trotzdem nicht so fertig wie die letzten Tage. Das hätte mir gestern jemand prophezeien müssen – ich hätte ihn oder sie für vollkommen realitätsfremd erklärt. Spontan dankte ich meinen Füßen, dass sie alle Belastungen des Tages so tapfer ertragen haben, ohne sie mir mit Schmerzen heimzuzahlen. Nach dem wenig erbauenden Verlauf gestern fühle ich mich heute richtiggehend gestärkt, blicke wieder deutlich zuversichtlicher voraus. Wie zum Lohn für die Anstrengungen des Tages bekam ich von der „Burgherrin“ am frühen Abend ein wunderbar schmackhaftes vegetarisches Bio-Menü gezaubert. Nach dem Essen hatte ich dann Gelegenheit, mich noch etwas mit meiner Gastgeberin zu unterhalten. Sie betreibt die Jugendburg nun bereits seit 24 Jahren, und das nach eigenen Worten mit der gleichen Hingabe wie zu Beginn. Sie ist temperamentvoll, in ihrem Redeschwall vielleicht manchmal etwas anstrengend, aber auf jeden Fall eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die eigene Ideale vertritt, ohne intolerant zu sein. Sie lebt das, was sie tut, das spürt man. Den Kindern und Jugendlichen, die auf der Burg ihre Zeit verbringen, versucht sie in jeder Situation ihrer Grundprinzipien entsprechend Vorbild zu sein und ihre Werte zu vermitteln. Und was ich so mitbekommen habe, hat sie die Jungs und Mädels ganz gut im Griff. Neben dieser intensiven Tätigkeit ist sie selbst Mutter von 4 Kindern. Nicht einfach, wie ich hautnah mitbekommen durfte, als ich Zeuge einer Auseinandersetzung mit ihrer launischen Tochter wurde. Vermute, dass die als Teenager gerade herzlich wenig mit den Idealen ihrer Mutter anfangen kann. Hätte ich das in meiner Jugend gekonnt?
     
    Müde bin ich nun, das Bett ruft, es ist 22 Uhr. Nach einem intensiven Tag sehe ich mit vorsichtigem Optimismus und viel Respekt dem weiteren Weg entgegen. Planen tue ich nichts mehr, es wird sich alles geben. Soviel weiß ich inzwischen. Pilgerbekanntschaften habe ich übrigens noch keine gemacht. Bin auf dem Weg immer allein (Ausnahme Spaziergänger), aber nie einsam. Es fehlt mir an nichts und es ist schön, dem Rhythmus der eigenen Schritte zu folgen. So darf es weitergehen...
     
     

    Ein Hauch von DDR im Ort
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