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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition)
Autoren: Tess Gerritsen
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Partner Detective Barry Frost erkennen, dessen Hände in lila Latexhandschuhen steckten. Er hatte die Ellbogen fest angelegt, eine Haltung, die jeder Polizist an einem Tatort instinktiv einnimmt, um Kreuzkontamination zu vermeiden. Er entdeckte Jane und schüttelte betrübt den Kopf, mit einem Blick, der sagte: Ich wäre an diesem wunderschönen Tag auch viel lieber woanders.
    Jane trat ins Zimmer und war im ersten Moment vom Sonnenlicht geblendet, das durch die deckenhohen Fenster einfiel. In diesem Schlafzimmer waren Vorhänge überflüssig, denn die Fenster gingen auf einen ummauerten Garten, wo die Blätter eines Fächerahorns in sattem Burgunderrot leuchteten und die Rosen voll erblüht waren. Aber es war die Leiche der Frau, die Janes Blick auf sich zog. Cecilia Ackerman lag mit einem beigefarbenen Nachthemd bekleidet auf dem Rücken im Bett, die Bettdecke bis zu den Schultern hochgezogen. Mit ihrer modischen blonden Strähnchenfrisur wirkte sie jünger als ihre achtundvierzig Jahre. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Züge auf verstörende Weise entspannt. Die Kugel war unmittelbar oberhalb ihrer linken Augenbraue eingetreten, und der Schmauchring auf ihrer Haut verriet, dass es ein aufgesetzter Schuss gewesen war. Der Mörder hatte ihr die Mündung auf die Stirn gesetzt und abgedrückt. Du hast geschlafen, als der Schuss fiel, dachte Jane. Du hast nicht geschrien, hast dich nicht gewehrt, du hast keine Bedrohung dargestellt. Und doch hat der Eindringling dieses Zimmer betreten, ist zum Bett hinübergegangen und hat dir eine Kugel in den Kopf gejagt.
    »Das ist noch nicht das Schlimmste«, sagte Frost.
    Sie sah ihren Kollegen an, dessen Züge im harten Morgenlicht eingefallen wirkten. Es war mehr als Erschöpfung, was sie in seinen Augen las; was immer er gesehen hatte, es hatte ihn zutiefst erschüttert.
    »Die Kinderzimmer sind im zweiten Stock«, sagte Maura in so sachlichem Ton, als wäre sie eine Maklerin, die den Grundriss der Villa erläuterte. Über ihnen hörte Jane knarrende Schritte – die anderen Mitglieder des Teams, die in den Zimmern über ihnen umhergingen –, und sie musste plötzlich daran denken, wie sie einmal auf der Highschool am Halloween-Gruselhaus der Schule mitgearbeitet hatte. Sie hatten literweise Kunstblut verschüttet und gruselige Horrorszenen arrangiert, weit gruseliger als das, was sie in diesem Schlafzimmer mit dem scheinbar friedlich schlummernden Opfer sah. Im wirklichen Leben brauchte das Grauen keine blutrünstige Inszenierung.
    Maura verließ das Zimmer und gab damit zu verstehen, dass sie alles gesehen hatten, was es hier zu sehen gab. Jane folgte ihr zurück ins Treppenhaus. Goldenes Sonnenlicht fiel durch die Glaskuppel, und man hätte meinen können, sie stiegen eine Treppe zum Himmel empor, doch diese Stufen führten an einen ganz anderen Ort. An einen Ort, um den Jane am liebsten einen großen Bogen gemacht hätte. Mauras ungewohnt sommerliche Bluse wirkte so krass fehl am Platz wie ein pinkfarbenes Kostüm bei einer Beerdigung. Es war nur ein unbedeutendes Detail, und doch störte es Jane, ja es ärgerte sie regelrecht, dass Maura, wenn sie schon einmal solche fröhlichen Farben trug, sich ausgerechnet diesen Morgen dafür ausgesucht hatte, an dem drei Kinder gestorben waren.
    Sie erreichten den zweiten Stock, wo Maura elegant zur Seite auswich und ihren Schuh mit dem Papierüberzieher über ein Hindernis hob, das am Treppenabsatz lag. Erst als Jane die oberste Stufe erreichte, sah sie die herzzerreißend kleine Gestalt, die mit einem Plastiklaken verhüllt war. Maura ging in die Hocke und schlug eine Ecke des Tuchs zurück.
    Das Mädchen lag auf der Seite, in Embryonalstellung zusammengekauert, als ob sie sich in die dunkel erinnerte Geborgenheit des Mutterleibs zurückziehen wollte. Ihre Haut war kaffeebraun, ihre schwarzen Haare zu einer eng anliegenden Flechtfrisur gebändigt und mit bunten Perlen geschmückt. Anders als die Opfer, die Jane bisher gesehen hatte, war dieses Kind keine Weiße, sondern Afroamerikanerin.
    »Opfer Nummer drei ist Kimmie Ackerman, acht Jahre alt«, erklärte Maura mit tonloser, sachlicher Stimme, einer Stimme, die Jane mehr und mehr gegen den Strich ging, je länger sie auf dieses Kind auf dem Treppenabsatz hinunterstarrte. Fast noch ein Baby. Ein Baby in einem rosafarbenen Schlafanzug mit kleinen tanzenden Ponys darauf. Auf dem Boden neben der Leiche war der Abdruck eines schlanken Fußes zu erkennen. Jemand war barfuß in das
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