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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition)
Autoren: Tess Gerritsen
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in ihren Betten liegen, muss irgendetwas sie geweckt haben.«
    »Schüsse?«, fragte Jane leise.
    »In der Nachbarschaft hat niemand einen Knall gehört«, entgegnete Moore. »Er muss einen Schalldämpfer benutzt haben.«
    »Aber irgendetwas hat diese Mädchen aufgeschreckt«, sagte Maura. »Etwas, das sie veranlasst hat, aus ihren Betten aufzustehen.«
    Jane stand noch immer in der Tür. Einen Moment lang sagte niemand etwas, und sie begriff, dass die anderen nur auf sie warteten. Sie sollte sich die Leichen ansehen, sollte ihren Job als Polizistin machen. Genau das, wogegen sie sich mit allen Fasern sträubte. Sie zwang sich, auf die zusammengesunkenen Gestalten zuzugehen, und ging in die Hocke. Sie sind Arm in Arm gestorben.
    »Nach der Lage der Leichen zu urteilen«, fuhr Maura fort, »scheint Cassandra sich schützend vor ihre jüngere Schwester gestellt zu haben. Zwei der Kugeln haben zunächst Cassandras Körper durchschlagen und anschließend Sarah getroffen. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat der Täter dann jedem Mädchen noch ein Mal in den Kopf geschossen. Ihre Kleidung scheint unversehrt, ich kann also keine offensichtlichen Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch feststellen. Das muss ich aber noch durch die Obduktion bestätigen. Sie ist für den späten Nachmittag angesetzt, falls du dabei sein möchtest, Jane.«
    »Nein, ich möchte nicht dabei sein. Eigentlich sollte ich heute gar nicht hier sein.« Abrupt machte sie kehrt und marschierte mit knisternden Schuhüberziehern aus dem Zimmer, auf der Flucht vor dem Anblick der beiden im Tod umschlungenen Mädchen. Doch als sie zur Treppe ging, sah sie wieder die Leiche des jüngsten Kindes. Kimmie, acht Jahre alt. Ich kann schauen, wohin ich will, dachte sie, jedes Mal bricht es mir das Herz.
    »Jane, ist alles in Ordnung?«, fragte Maura.
    »Du meinst, abgesehen davon, dass ich diesen Mistkerl am liebsten in Stücke reißen würde?«
    »Mir geht es ganz genauso.«
    Dann kannst du es einfach besser verbergen. Jane starrte auf die verhüllte Leiche hinunter. »Ich schaue dieses Kind an«, sagte sie leise, »und ich sehe unwillkürlich mein eigenes.«
    »Du bist eine Mutter, deshalb ist das nur natürlich. Hör zu, Crowe und Moore sind sowieso bei der Obduktion dabei. Es ist nicht nötig, dass du auch kommst.« Sie sah auf ihre Uhr. »Es wird noch ein langer Tag. Und ich habe noch nicht mal gepackt.«
    »Du besuchst diese Woche Julian im Internat, nicht wahr?«
    »Morgen reise ich ab nach Maine, und nichts wird mich davon abhalten. Zwei Wochen mit einem Teenager und seinem Hund. Ich habe keine Ahnung, was mich da erwartet.«
    Maura hatte selbst keine Kinder, woher sollte sie es also wissen? Sie und der sechzehnjährige Julian Perkins hatten nichts gemeinsam bis auf die Torturen, die sie im vergangenen Winter zusammen durchgestanden hatten, als sie in der Wildnis von Wyoming ums Überleben gekämpft hatten. Sie verdankte dem Jungen ihr Leben, und nun war sie entschlossen, ihm die Mutter zu sein, die er verloren hatte.
    »Mal sehen, was ich dir über halbwüchsige Jungs erzählen kann«, versuchte Jane sich nützlich zu machen. »Meine Brüder hatten stinkige Schuhe. Sie haben bis Mittag geschlafen. Und sie haben ungefähr zwölfmal am Tag gegessen.«
    »So ist nun mal der männliche Stoffwechsel in der Pubertät. Dafür können sie nichts.«
    »Wow. Du hast ja wirklich die Mutter in dir entdeckt.«
    Maura lächelte. »Ist eigentlich ein ganz gutes Gefühl.«
    Aber die Mutterfreuden gibt es nicht ohne die Albträume, erinnerte sich Jane, als sie sich von Kimmies Leiche abwandte. Mit jeder Stufe, die sie hinabstieg, wuchs ihre Erleichterung darüber, diesem Haus des Schreckens zu entrinnen. Als sie schließlich wieder ins Freie trat, atmete sie tief durch, als wollte sie den Geruch des Todes aus ihrer Lunge spülen. Die Medienmeute war noch weiter angeschwollen, und die Fernsehkameras säumten die Polizeiabsperrung wie eine Batterie von Rammböcken. Crowe stand ganz vorn im Mittelpunkt – der Hollywooddetective, der sich vor seinem Publikum produzierte. Niemand beachtete Jane, als sie vorbeihuschte und zum Nebenhaus ging.
    Ein Streifenbeamter hielt vor der Haustür Wache und sah mit breitem Grinsen zu, wie Crowe seine Show für die Kameras abzog. »Na, was meinen Sie, wer ihn in der Verfilmung spielen wird?«, fragte er. »Ist Brad Pitt hübsch genug?«
    »Niemand ist hübsch genug, um Crowe zu spielen«, erwiderte Jane mit einem Schnauben. »Ich muss mit
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