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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung
Autoren: Kim Fisher
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Wochen oder gar Monate ins Land gehen. Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, in allergrößter Not, bügeln wir mal ein Hemd.
    Okay, ich vielleicht eher nicht (ich kann es schlicht und ergreifend nicht und will nicht, dass er das vor der Hochzeit merkt). Aber die dreifache Mutter Kerstin macht das gerne. Hat so was Mütterliches! Und darauf steht sie, und mit ein bisschen Glück auch er!
    Sie ahnen: Als ich das erste Mal zur genauen Besichtigung
in seinem Bad verschwand, war alles schön. Weitgehend sauber, hygienisch einwandfrei, keine Wollmäuse in den Ecken oder unter der Badewanne (dort hab ich auch geguckt), eine tadellose Instandhaltung der Toilette, keine Requisiten meiner Vorgängerinnen, saubere Handtücher, farblich aufeinander abgestimmt und in Korrespondenz mit der Fußmatte, ein überschaubares Sortiment an hochwertigen Pflegeprodukten für Männer. Die Beleuchtung indirekt, wahlweise auch ersetzt durch sanftes Kerzenlicht. So wurde der Badezimmerspiegel sofort mein Freund.
    Ich schwöre, ich habe so was vorher auch noch nie erlebt!
    Ach so, hatte ich das Räucherstäbchen und die Sphärenklänge erwähnt?

Geräusche - Gerüche

    Im Grunde meines Herzens halte ich mich für eine völlig unkomplizierte Frau. Menschen, die mich näher kennen, finden, dass ich da ein wenig übertreibe.
    Nun gut, ich habe da einen wirklichen, echten, richtigen Schwachpunkt. Und den kennen auch alle diese Menschen, mit denen ich näher zu tun habe. Ich will es Ihnen mal an einem Beispiel verdeutlichen:
    Ich fahre nie mit der Deutschen Bahn ohne eine Familienpackung Tempotaschentücher. Denn was keinem anderen auffällt, kann für mich zur seelischen Grausamkeit werden. Dazu gehört die unverschämte Ignoranz, in meiner Gegenwart den schleimigen Inhalt der Nase 43 Mal die Minute monoton hochzuziehen. Auch 20 Reihen vor mir, ich höre alles. Alle anderen hören weg, mich nervt das. Es quält jede Zelle meines Körpers. Ich leide, ekle mich und rege mich auf wie zu Gisela Schlüters besten Zeiten. Nach ungefähr einer Minute dreißig kann ich dann nicht mehr. Wie Fräulein Rottenmeier (Heidis Alptraum) richte ich mich militärisch auf, springe mit Mordgedanken von meinem Sitz und eile im Stechschritt zu dem Übeltäter, der jetzt ein Opfer wird. Und ich schnauze mit schmalen Lippen süßsäuerlich und ein wenig kurzatmig:
    »Entschuldigung, macht es Ihnen was aus, eines meiner Taschentücher zu benutzen, um sich die Nase zu reinigen, und mich nicht weiter zu nerven?« Die Reaktionen sind unterschiedlich.
Entweder a) »Oh, danke, sehr aufmerksam, hatte gerade keins dabei.« (Ach was, du Affe.), b) völlig unverständiges Kopfschütteln, gepaart mit kompletter Ignoranz meiner Person und einem zischenden Laut, der klingt wie »Ssssst!!!« oder c) die Androhung von Prügeln. Hin und wieder auch lautes Rufen nach dem Zugchef. Im letzten Fall kommt es auch mal zu Verbrüderungen unter den Passagieren. Egal, grundsätzlich ist danach Ruhe. Und ich kann mich auf das nächste nervtötende Geräusch konzentrieren. Und dieses lässt erfahrungsgemäß nicht lange auf sich warten!
    So, und jetzt stellen Sie sich mal vor, der Mann, den ich liebe, schnarcht. Ich drehe durch. Ich drehe wirklich durch. Ich drohe an, die Beziehung nach 24 Stunden zu beenden, plädiere natürlich für getrennte Schlafzimmer und mache ihm sofort einen Termin bei einem Spezialisten. Möglicherweise kann man ihm ja irgendetwas wegoperieren. Das Zäpfchen zum Beispiel oder gleich die gesamte Nasenscheidewand. Da muss es doch was geben? Wenn jemand neben mir schnarcht, bin ich weit davon entfernt, mich in irgendeiner Weise zu entspannen. Mein Körper erstarrt, und ich lauere auf das kleinste Geräusch. Selbst Atmen könnte mich schon irritieren. Egal, wie müde ich bin, wie eine Eule starre ich in die Nacht und halte das Kissen griffbereit, mit dem ich ihn zum Schweigen bringen kann. Ich glaube, in dieser angespannten Phase würde ich auch vor einem Mord im Affekt nicht zurückschrecken. Oder wäre es Totschlag?
    Zum Glück, zu meinem und zu seinem, schnarcht mein Liebster nicht. Manchmal habe ich sogar das Bedürfnis, ihm einen Spiegel unter die Nase zu halten, um zu sehen, ob er überhaupt im Schlaf atmet. Er schmatzt nicht beim Essen, schluckt nicht wie ein Pferd, wenn er trinkt, und hat
auch keinen Heuschnupfen, muss somit auch nicht dauernd die Nase hochziehen.
    Meine Analytikerin Frau S. findet meine Aggression auf Geräusche sehr interessant. Sei es doch
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