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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung
Autoren: Kim Fisher
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normalen Tagen mindestens eine Stunde brauche. Wie gut, dass sein Bademantel an der Tür hing. Groß und flauschig, und das machte mich automatisch klein und zierlich, zerbrechlich geradezu.
    Wenn alles perfekt lief, war er inzwischen aufgestanden und hatte nackt Kaffee gekocht, Eier ins Wasser geworfen
und die Marmelade, die seine Mutter gekocht hat, auf den Tisch gestellt. An dieser Stelle: Ich habe übrigens auch nichts gegen frisch gepressten Orangensaft. Die Nacht war ja lang und anstrengend.
    Ist gut, ist gut, Sie haben so etwas noch nicht erlebt? Ich auch nicht, aber es ließ sich gerade so schön schreiben... Wahrscheinlicher ist wohl, dass er noch im Bett liegt, sich über die Wiederholung der ARD-Volksmusikhitparade vom Vorabend lustig macht oder einfach nur wieder eingedöst ist.
    Die eleganteste Lösung wäre jetzt, sich nicht über ungekochte Eier zu ärgern, sondern einfach noch mal zu ihm ins Bett zu krabbeln. Nach einer weiteren Stunde könnten Sie dann in dieses romantische Frühstückslokal gehen, in dem sie sonst alleine saßen und sich wünschten, nicht mehr alleine hier zu sitzen.

Der Tag danach

    Ich weiß nicht, ob Sie es auch schon gemerkt haben, aber: Ich war verliebt. Deshalb trug ich jetzt mein Handy immer schön dicht am Körper. Damit ich auch ja keine SMS oder gar einen Anruf verpasste. Natürlich machte ich es wie alle Frauen und wartete darauf, dass er anruft. Wenn es um die ersten Anrufe geht, bin ich da sehr mädchenhaft. Obwohl es mir wirklich in den Fingern juckte. Und ich jede, jede Sekunde an ihn denken musste. Und während ich wartete, guckte ich in meinen Kleiderschrank. Nicht, dass ich sonst nichts zu tun gehabt hätte, ich war nur nicht zu etwas anderem fähig. Aber Klamotten haben ja direkt was mit meinem Zustand zu tun. Schließlich wollte ich ihm auch heute noch gefallen.
    Saß ich nicht schon gestern hier, in meinem Schlafzimmer, auf meinem Bett, unfähig, eine Entscheidung zu treffen, bewegungsstarr, abgesehen vom Nägelkauen, nervös? Habe ich nicht gestern schon drei Stunden die Schublade mit meiner Unterwäsche inspiziert und Häufchen aufs Bett geworfen? Abteilung »sexy«, »geht noch«, »Alltags- und Sportslips«, »für den Arzt« (groß, warm und weiß) und »wieso liegst du denn noch hier drin?« Ich fand sogar einen roten Frotteeschlüppa mit einem gelben Teddy, den ich jahrelang von Umzug zu Umzug mitgeschleppt und immer wieder mit einsortiert habe. Für Frau S., meine Analytikerin, hätte in diesem schlimmen »Schlüppa-Fall« alles klar auf der
Hand gelegen. Ich wollte meine Kindheit partout nicht loslassen. Dabei fand ich ihn eigentlich immer nur hübsch. Für meine aktuelle Lebenssituation war er natürlich gänzlich ungeeignet. Die Abteilung »sexy« und »geht noch« teilte ich jetzt nach Farben: unschuldiges Weiß, sündiges Rot, verruchtes Schwarz, luxuriöses Champagner und der verspielte Rest.
    Für die erste Nacht hatte ich mich mutig für eine zweifarbige Kombination entschieden. Weiß und rot. So war ich für jeden Fall gerüstet. War ja, wie sich herausstellte, auch definitiv die richtige Wahl.
    Während ich feststellte, dass ich immer noch keine SMS von ihm bekommen hatte, dachte ich natürlich schon intensiv an unser nächstes Treffen. Gerne wüsste ich, wie unser Abend aussehen würde, entsprechend könnte ich mich darauf vorbereiten. Ich könnte mich wie eine Regisseurin ihre beste Schauspielerin gekonnt in Szene setzen.
    Wie ich so vor mich hin träumte, schrie mir das wirkliche Leben ins Gesicht: »Räum uns weg! Wasch uns ab! Sortier uns aus!« Meine Bude sah furchtbar aus - im Schlafzimmer stapelte sich die Wäsche, der gesamte Inhalt meines Kleiderschranks lag verstört auf Bett, Boden und Stühlen. Mein Schreibtisch - zurzeit war nicht klar zu erkennen, welche Farbe er eigentlich hatte, erstickte unter Stapeln von Papier, ungeöffneten Briefen und einem Teller mit angetrockneten Spaghettiresten. In eine Ecke hatte Ella gemacht (ich schwöre, ich hab’s nicht gesehen, sonst hätte ich es NATÜRLICH sofort weggemacht!). Und das Badezimmer sah aus, als hätte ich die gesamte KaDeWe-Kosmetikabteilung gekauft und zu Hause ausprobiert. Kurz, ich war ganz offensichtlich eine Schlampe! Wo war die tolle Frau, die er gesehen hatte? Die er im Arm gehalten hatte? Es klang noch
in meinen Ohren: »Du bist perfekt, auf Dich habe ich gewartet!«
    Oh Mann, und ich saß da, als würde ich auf ein Abrissunternehmen warten! So ging das auf gar keinen
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