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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung
Autoren: Kim Fisher
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eheähnlichen Verhältnis. »Ob das Ihrem Mann auch gefallen könnte, was meinen Sie?«, fragte mich die rot gefärbte elefantenähnliche Porzellanfachverkäuferin.
    Egal, ob’s ihm gefällt. Mir gefällt auf jeden Fall, dass sie denken, ich sei seine Frau. Aber was soll ich auch sagen: Ich bin nur seine Freundin? Ich bitte Sie, ich bin 37 und keine Schülerin mehr! Mein Lebensgefährte halte ich für übertrieben - schließlich leben wir ja noch nicht zusammen. Aber dass dies mein Mann ist, daran gibt’s keinen Zweifel. Weder für mich noch für irgendwelche Verkäuferinnen.
    Vor drei Monaten hätte ich nicht geglaubt, dass ich dazu in der Lage wäre: zu lieben! Ich hatte so viele Ängste und eine Million Gegenargumente! Eine Beziehung? Ich? Wie soll denn das bitte funktionieren? Heute, drei Monate später, habe ich kein einziges Gegenargument mehr. Ängste sind aber trotzdem geblieben, wenn auch ganz andere: Wenn er mit Ella zehn Minuten Gassi geht, steh ich schon wie eine Mutter am Fenster, die ihr Kind das erste Mal allein zur Schule laufen lässt. Und wenn ich sie nicht schon die Straße runterkommen sehe, sehe ich sie im Geiste von einem LKW platt gerollt, zerquetscht und zu Brei gemanscht unter überdimensionalen Reifen liegen. Ich darf jetzt nicht beide verlieren, denke ich dann und weine schon mal prophylaktisch so ein bisschen vor mich hin.
    Neulich fühlte ich mich sehr verbunden mit Kerstin, der immer noch schwer verliebten Mutter, als sie folgenden Satz über ihre Beziehung sagte: »Ich habe gar keine Ängste mehr. Nur noch eine: dass er vor mir stirbt!« Puh, ja. Das ist es.
    Okay, mir würde es auch nicht wirklich gefallen, wenn er jetzt eine Vollglatze bekäme. Aber in 20 Jahren hätte ich mich dran gewöhnt. Überhaupt, wenn wir so weitermachen, werden wir auf jeden Fall unsere äußere Form stark verändern - denn mittlerweile essen wir ungeniert alles, einfach alles, was die Figur ruinieren könnte. In den ersten Wochen achtete jeder für sich peinlich genau darauf, nicht ALLES
wahl- und maßlos in sich reinzustopfen, wie wir es wohl getan hätten, lägen wir noch heute alleine auf unserer Couch. Wollten wir zunächst diszipliniert und leicht wie eine Feder wirken, gehen wir jetzt schon sehr viel sportlicher mit Hüft-, Bauch- und Pospeck um. Sehr zu meiner Freude übrigens, es macht alles etwas einfacher. Was keinen Freibrief für hemmungsloses Verhalten in jeder Lebenslage darstellt. Sich gehen lassen ist einfach zu unsexy.
    Dieses dritte Monatsjubiläum übrigens haben wir nicht gefeiert. Wir meinten, für diese »Jeden-Monat-Feierei« dann irgendwie doch zu erwachsen zu sein. Ich für meinen Teil konzentriere mich auch schon auf die Findung eines würdigen Hochzeitstagsdatums. So wie Kerstin. Sie fokussiert den 27. September an - den Hochzeitstag ihrer Uroma. Und diese Ehe hielt 63 Jahre! Dann müssten wir nur noch 62 drei Viertel Jahre durchhalten. Das erste Vierteljahr haben wir ja schon... Ein ganzes Vierteljahr!

Für alle, die jetzt noch ein Paar sind

    Ich weiß jetzt wirklich nicht genau, ob er ein so wahnsinnig toleranter Mann ist oder einfach nur bis über beide Ohren und vielleicht sogar zum ersten Mal so sehr verliebt: Der liebt mich doch tatsächlich so, wie ich bin. Er nölt nicht mal. Er ist klug genug, über meine Eskapaden, Unsicherheiten lächelnd hinwegzusehen, sie allenfalls in gesunde Bahnen zu lenken. Und bei allem war er nicht halb so anstrengend wie ich. Wahrscheinlich haben wir es auch nur deshalb unbeschadet überstanden. Die Bewährungszeit ist endlich vorbei! Wir lieben uns immer noch, und im Grunde lieben wir uns jeden Tag ein Stückchen mehr. Intensiver, gefühlvoller, bedeutender.
    Aber wissen Sie was?
    Wenn’s nach mir ginge, dürften wir die ersten drei Monate einer Beziehung gerne auch generell überspringen und direkt bei Monat vier oder gar Monat zwölf anfangen. Nicht jedes Mal Panikattacken, wenn ER nicht anruft, ICH was Falsches sage, zu laut an der falschen Stelle gelacht habe oder ihn einfach noch nicht kenne und verstehe, mich an Gerüche, Geräusche und sonstige Neuigkeiten noch nicht gewöhnt habe. Die Phase, in der die Liebe laufen lernt. Unter schwierigsten Bedingungen: Wir verkrampfen uns, verstellen uns, werden noch neurotischer, abgedrehter, unsicherer - 90 Tage auf Bewährung eben. Die ersten, richtungsweisenden Monate, in denen sich alles entscheidet.
Eine Zeit, in der alles zum ersten Mal gesagt, gesehen und getan wird.
    Wer kann von sich
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